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Emotionen kochen hoch

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Stein des Anstoßes: Jesper Lindström (weißes Trikot) wird vom Dortmunder Karim Adeyemi im Strafraum umgestoßen, während sich Mats Hummels dem Frankfurter entgegenwirft. Der fällige Pfiff bleibt aus. © IMAGO

Borussia Dortmund gewinnt 2:1 bei der Frankfurter Eintracht. Doch für Aufregung sorgt nur jene Szene, als Adeyemi SGE-Stürmer Lindström im Strafraum umstößt. Der Pfiff bleibt aus.

Es muss schon etwas Besonderes vorgefallen sein, wenn Axel Hellmann in offizieller Mission in die Mixed Zone des Waldstadions schreitet, um seine Sicht der Dinge darzulegen. In der Vergangenheit passierte das meistens, wenn die Fans mal wieder gewaltig über die Stränge schlugen, doch am Samstagabend suchte der Vorstandssprecher der Frankfurter Eintracht das Gespräch mit den Medienschaffenden, weil er eine grundsätzliche Botschaft auszusenden hatte, das große Ganze in den Mittelpunkt rückte. »Ich äußere mich so gut wie nie zu sportlichen Themen«, hob der 51-Jährige nach der absurd anmutenden 1:2 (1:1)-Niederlage gegen Borussia Dortmund an. »Aber wir stehen vor einem Problem, das offenkundig geworden ist.« Ein massives Problem.

Hellmann meint die nun seit fünf Jahren tobende Debatte um den Videoschiedsrichter, der für mehr Gerechtigkeit auf den Spielfeldern der Bundesliga sorgen sollte, gefühlt aber nur deutlich mehr Verdruss hervorruft. Auf allen Ebenen, vereinsübergreifend. Seit Samstagabend hat die fortwährende Diskussion einen neuen Höhepunkt erreicht und eine andere Dimension angenommen. »Wir schwächen die Souveränität der Schiris auf dem Platz, wir machen sie zu Kasperln«, wettert der langjährige Eintracht-Vorstand, der aus gegebenem Anlass das Zusammenspiel des Kölner Kellers mit dem Unparteiischen im Stadion anprangert. Seiner Auffassung nach würden die Referees beschädigt, ohne dass sich etwas verbessert hätte. »Wir kommen nicht zu einer gerechten Betrachtung. Dem muss man sich mal stellen. So wie es jetzt läuft, kann es nicht mehr laufen.«

Im konkreten Fall geht es um eine gravierende Fehlentscheidung des Schiedsrichters auf dem Platz und eine noch gravierendere des Herren in Köln vor dem Monitor, der seinen Partner quasi ins Verderben laufen ließ. Kurz vor der Halbzeit passierte im Bundesligaspiel zwischen der Eintracht und Borussia Dortmund beim Stand von 1:1 dieses: BVB-Profi Karim Adeyemi schubste den einschussbereiten Frankfurter Stürmer Jesper Lindström drei, vier Meter vor dem Tor mit beiden Händen von hinten in den Rücken, sodass der Däne den Halt verlor und nach vorne umkippte. Strafstoß wäre die einzig richtige Konsequenz gewesen, womöglich gar noch eine persönliche Bestrafung für den Dortmunder Spieler.

Schiedsrichter Sascha Stegemann aber entschied auf Freistoß - für die Borussia, weil Lindström beim Sturz mit der Hand auf den Ball fiel. Nahezu grotesk. Schlimmer wurde es dennoch, weil aus dem Kölner Keller in Person von Robert Kampka keine Intervention erfolgte. Auch das ist abenteuerlich, denn: Ein klareres Foulspiel gibt es kaum mehr, es ist völlig schleierhaft, wie ein ausgebildeter Schiedsrichter diese Zuwiderhandlung nach Studium der TV-Bilder nicht richtig bewerten und an den Referee auf dem Feld weitergeben kann. Unerklärlich.

Schiri Stegemann, der ohnehin überfordert wirkte und eine denkbar schwache Performance bot, räumte ein, in Echtzeit einer falscher Wahrnehmung aufgesessen zu sein. »Auf dem Spielfeld dachte ich, es sei ein normaler Körperkontakt gewesen. Ich habe kein klares Foul erkannt. Ich habe das auch zum VAR nach Köln transportiert. Dort wurde die Situation gecheckt und nicht als falsch eingeschätzt«, sagte der Unparteiische. »Nach dem Studium der Zeitlupenbilder muss ich konstatieren, dass es Strafstoß hätte geben müssen. Es gibt einen klaren Impuls mit beiden Händen.«

Stegemann hat eine unruhige Nacht hinter sich, wie er anderntags im Doppelpass bei Sport1 erzählte. »Sie war kurz und nicht sonderlich entspannt.« Er sei enttäuscht darüber, dass es ihm und seinem Team nicht gelungen sei, die richtige Entscheidung zu treffen. »Wir fragen uns: Warum und wieso?« Es sei falsch gewesen, in Köln den »Check-Prozess zu früh abgebrochen« zu haben. Zudem, klärte er auf, gebe es ein Standard-Setup mit vier verschiedenen Kameraperspektiven, auf denen Kollege Kampka offenbar das Foul nicht als solches erkannte. »Leider wurde nicht auf weitere zusätzliche Kameras zurückgegriffen, obwohl die Möglichkeit da gewesen wäre.«

Das ist unverständlich, genauso wie der nicht erfolgte aktive Eingriff Stegemanns selbst, denn die Frage ist ja, weshalb sich ein Stürmer vier Meter vor dem leeren Tor überhaupt fallen lassen sollte.

Interessant: Der seit 2002 in Mainz lebende Sachse Kampka ist vom DFB vor zwei Jahren degradiert worden, darf seitdem nicht mehr in der Bundesliga pfeifen. Der Abstieg eines Referees ist im undurchsichtigen Schiedsrichterwesen äußerst ungewöhnlich.

Ein ähnlich schlechtes Bild wie die Referees gab übrigens auch der Dortmunder Übeltäter Adeyemi ab, der die Chuzpe hatte und sein unzweifelhaftes und für jedermann ersichtliches Vergehen in unverhohlener Dreistigkeit abzustreiten. »Das war gar kein Foul, ich war Körper an Körper mit ihm«, sagte Adeyemi. »Es war schon richtig vom Schiri.« Auf Nachfrage, ob er den Unmut der Frankfurter verstehen könne, grinste er frech: »Das ist deren Sachen, das ist mir ganz egal.« Etwas mehr Sportsgeist dürfte es schon sein, erst recht für einen deutschen Nationalspieler, der nicht nur in der verbalen Aufarbeitung völlig danebenlag, sondern auch auf dem Feld eine miserable Leistung zeigte. Da muss einer noch ganz viel lernen.

Zur Nebensache geriet sogar, dass das Duo Stegemann/Kampka noch mehr fragwürdige Entscheidungen traf, sicher in der 59. Minute, als BVB-Verteidiger Niklas Süle den Eintracht-Kreativen Mario Götze von hinten schubste, sodass dieser in den überragenden BVB-Keeper Gregor Kobel rutschte. Auch da hätte es Strafstoß geben können, eigentlich müssen. Sonderbar überdies: Stegemann entschied auf Freistoß für den BVB. Nicht der einzige seltsame Pfiff an diesem emotionalen Abend. Übrigens: Nach dem 0:1 (20.) durch Brandt glich Kamada sechs Minuten später aus, ehe Bellingham der 2:1-Siegtreffer (52.) gelang.

(sid). Die Verantwortlichen von Bayern München üben sich angesichts der Verletzungen von Torhüter Manuel Neuer und Thomas Müller weiter in Gelassenheit. »Ich bin optimistisch, was Manuel anbelangt«, sagte Vorstandschef Oliver Kahn nach dem 6:2 (3:1) gegen Mainz 05 und ergänzte: »Er wird sich jetzt Stück für Stück weiter ranarbeiten.« Neuer laboriert an einer Schulterverletzung, er fehlt bereits seit fünf Spielen.

Er habe auch Müller am Samstag gesehen, »er sieht sehr optimistisch aus. Ich glaube nicht, dass das längere Sachen sind«, sagte Kahn über den Nationalspieler, den nach Angaben von Trainer Julian Nagelsmann nach wie vor »Irritationen im Hüft- und Beckenbereich« plagen.

Auch Sportvorstand Hasan Salihamidzic gab sich optimistisch, was die Genesung der Nationalspieler angeht. »Wir schauen von Tag zu Tag. Manu ist auf einem guten Weg. Ihm geht es besser. Thomas hat muskulär ein kleines Problemchen. Wie lange es dauert, kann man nicht sagen«, berichtete er. Unterdessen nahm Leroy Sane am Sonntag wieder am Training mit der Mannschaft teil. Der Nationalspieler hatte vier Pflichtspiele der Bayern wegen eines Muskelfaserrisses im linken hinteren Oberschenkel verpasst.

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Jesper Lindström (r.) und Mario Götze beschweren sich vergeblich bei Schiedsrichter Sascha Stegemann. © DPA

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