Entfesselte Eintracht in Bremen

Der fulminat herausgespielte 4:3-Sieg bei Werder Bremen verhindert einen Fehlstart von Eintracht Frankfurt in der Fußball-Bundesliga.
Ganz zum Schluss lugte irgendwo das Murmeltier hervor. Natürlich war die fünfminütige Nachspielzeit schon fast abgelaufen, als sich Oliver Burke auf die Reise machte, Christopher Lenz links stehen ließ und den Ball scharf in die Mitte spielte. Dort stand zwar kein Bremer, aber die Kugel prallte dem Frankfurter Verteidiger Tuta gegen den Oberschenkel - und von dort aufs Tordach. Viel hatte nicht gefehlt, und es wäre tatsächlich der Ausgleich gewesen, Sekunden später war Feierabend, und Eintracht Frankfurt hatte im zwölften Spiel saisonübergreifend den ersten Bundesligasieg seit März eingefahren. Mit 4:3 (3:2) hatten die Hessen diese attraktive Partie gewonnen, es war, zumindest eine gute Stunde lang, ein aufregendes Offensivspektakel, garniert mit vielen Toren und Torraumszenen auf beiden Seiten.
Dass die Hessen hochverdient diesen ersten Dreier der Saison im hohen Norden holten, darüber gab es nach dem Abpfiff keine zwei Meinungen. Selbst Werder-Coach Ole Werner sprach von einem »leistungsgerechten Ergebnis«. Und grün-weiße Wunder, wie vor Wochenfrist, als dem Neuling in Dortmund drei Tore binnen sechs Minuten in der Nachspielzeit gelungen waren, gibt es auch nicht jedes Wochenende.
Mit diesem Sieg hat Eintracht Frankfurt einen drohenden Fehlstart in die Liga gerade noch mal abgewendet, mit fünf Punkten aus vier Spielen und nur einer Niederlage (gegen den FC Bayern) haben die Frankfurter rechtzeitig die Kurve gekriegt. Bis zur 60. Minute habe man »ein großartiges Spiel« geboten, »von der ersten Sekunde an griffig«, lobte Trainer Oliver Glasner, der just an diesem Sonntag seinen 48. Geburtstag feierte, ein schöneres Geschenk hätte ihm seine Mannschaft kaum machen können. Ihm habe besonders »die Energie gefallen«, die seine Spieler auf dem Platz gebracht hätten, immer präsent, aufmerksam, selbst »zwei Nackenschläge aus dem Nichts« (Glasner), die zu den erstem beiden Gegentreffern durch Anthony Jung (14.) und Leonardo Bittencourt (17.) führten, hätte sein Team weggesteckt.
Beide Tore resultierten infolge von Aktionen nach einem ruhenden Ball, in dieser Runde gehören Standards offenbar zu den Schwächen der Hessen. Dessen ungeachtet hatte der österreichische Fußballlehrer, der in der hektischer werdenden Schlussphase noch die Gelbe Karte gesehen hatte, war mit der neuen Viererabwehrkette zufrieden, defensiv habe man sich »unglaublich stabil« präsentiert. Ganz so sattelfest erschien die Frankfurter Hintermannschaft dennoch nicht, gerade beim 1:2 befand sie nach einem schnell ausgeführten Freistoß im Tiefschlaf. »Das, was zuletzt gefehlt hat, haben wir diesmal gezeigt«, sagte der Torwart Kevin Trapp nach diesem »turbulenten Spiel« noch auf dem Spielfeld. Dieses Mal wurden die zeitweise klasse herauskombinierten Torchancen konsequent genutzt, ja dieses Mal landete sogar der erste Frankfurter Torschuss im Netz - zuletzt war es meist umgekehrt. Und es war Mario Götze, der nach nur zwei Minuten seinen ersten Treffer für die Frankfurter erzielte, nach wunderschöner Vorarbeit übrigens von Randal Kolo Muani.
Ohnehin war die Offensive mit dem Quartett Götze, Muani, Jesper Lindström und Daichi Kamada an diesem Sonntag das Frankfurter Prunkstück. Gerade die Treffer zum 3:2 (durch Lindström, 39.) und 4:2 (Djibril Sow, 48.) waren schön herausgespielt, scheinbar am Reißbrett entworfen. In dieser Phase hatte die Eintracht alles unter Kontrolle, sie sprühte vor Spiellust. Nach einer Stunde freilich schlichen sich bei den lange so dominanten Frankfurter kleine Nachlässigkeiten ein, Werder Bremen bekam Oberwasser und hatte den Hessen »mit den vielen langen Bällen Probleme bereitet«. In der 90. Minute fiel, nach einem Schubser von Evan Ndicka und »der obligatorischen VAR-Entscheidung gegen uns« (Glasner) per Strafstoß zwar noch das 3:4 durch Niclas Füllkrug, doch trotz wütender Bremer Angriffe und einigen Zitterns ließ sich die Eintracht nicht mehr die Butter vom Brot nehmen.
Am Ende half auch der filigrane Daichi Kamada, dem nach 18 Minuten ein Kopfballtor wegen Abseits verweigert worden war, mit allem, was er hatte, den Sieg zu sichern. Schon vor dem Anpfiff hatte Kamada für Schlagzeilen gesorgt, da war bekannt geworden, dass der portugiesische Rekordmeister Benfica Lissabon, an dem 26 Jahren alten Spielmacher baggert. Dem Japaner liegt eine Anfrage des Champions-LeagueTeilnehmers vor. Er solle sich bereits mit dem portugiesischen Topklub über einen Vertrag geeinigt haben, hieß es.
Ganz so ist es nicht. Die Eintracht ist über das Benfica-Interesse an Kamada bereits seit längerem im Bilde und ist daher keineswegs überrascht worden von entsprechenden Meldungen am Sonntag. Seit Tagen gibt es Gespräche mit Sportvorstand Markus Krösche. Die Eintracht-Führung indes wird den Kreativkopf in dieser späten Phase der Transferperiode jedoch nicht mehr ziehen lassen. Eine Einigung zwischen den Klubs besteht auf alle Fälle nicht.