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Erfolg in Unterzahl

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Sogenannten Fans sorgen fast für einen Abbruch der Partie des 1. FC Union in Malmö. © IMAGO

(sid). Überschattet von einem Beinahe-Abbruch hat Union Berlin im dritten Anlauf auch in der Europa League in den Bundesliga-Modus geschaltet - trotz einer Halbzeit in Unterzahl. Dank einer couragierten Auswärtsleistung verdiente sich der Überraschungsspitzenreiter seine ersten drei Punkte in der Geschichte des Wettbewerbs. Beim schwedischen Rekordmeister Malmö FF gewann das zuvor punktlose Team von Trainer Urs Fischer 1:

0 (0:0).

Partie kurz vor dem Abbruch

Um ein Haar hätte sich Union den Erfolg im Kampf um das Weiterkommen in der Gruppe D aber selbst verbaut. Mehrere Feuerwerkskörper aus dem Gästeblock sorgten für eine fast halbstündige Unterbrechung, es drohte der Abbruch. Kurz nach dem Wiederanpfiff erzielte Sheraldo Becker (68.) den goldenen Treffer. Mittelfeldspieler Andras Schäfer hatte Union durch seinen Platzverweis nach einer Notbremse (45.+1) geschwächt. Am kommenden Donnerstag steht das Rückspiel an.

Union überließ den Gastgebern zunächst den Ball und lauerte auf Kontersituationen. Die erste aussichtsreiche Gelegenheit gehörte aber Malmö durch Joseph Ceesay (16.). Zehn Minuten später näherte sich Becker dem Tor der Gastgeber an. Union wurde mutiger, Janik Haberer zielte einen halben Meter zu hoch (37.). Kurz vor dem Halbzeitpfiff versuchte es der Mittelfeldspieler erneut mit einer Direktabnahme. Sekunden später unterlief Schäfer ein folgenschwerer Blackout. Erst verlor er völlig unbedrängt auf Höhe der Mittellinie den Ball, dann zupfte er den durchstartenden Anders Christiansen am Trikot - und sah Rot.

Nach etwas weniger als einer Stunde Spielzeit wurde es dann brenzlig, aber nicht sportlich: Aus dem Gästeblock flogen Leuchtraketen auf das Feld, der Heimbereich erwiderte das Feuer. Schiedsrichter Halil Umut Meler schickte beide Teams in die Kabine, die Sicherheitskräfte räumten den Block. Minutenlang war unklar, ob wieder angepfiffen wird. Nach eindringlichen Hinweisen an die Fans beider Lager, dass auf den nächsten Vorfall der sofortige Abbruch folgen würde, ging es weiter.

Malmö: Diawara - Beijmo, Hadzikadunic, Lewicki - Ceesay (80. Sejdiu), Rakip, Larsson (80. Zeidan), Olsson - Christiansen, Thelin, Berget (64. Toivonen).

Union Berlin: Rönnow - Knoche, Doekhi, Leite - Trimmel, Khedira, Haberer (84. Haraguchi), Schäfer, Ryerson (74. Gießelmann) - Siebatcheu (74. Behrens), Becker (90.+1 Thorsby).

Im Stenogramm: SR: Halil Umut Meler (Türkei). - Z.: 18 000. - Tor: 0:1 Becker (68.). - Rot: Schäfer (45.+1/Notbremse).

Natürlich dreht sich im Vorfeld einer eigentlich ungleichen Partie - Champions League-Team trifft auf sieglosen Tabellenletzten - vieles, wenn nicht alles, um die Frage der Motivation des Favoriten. Wie legt man den Schalter um von der bestens ausgeleuchteten Königsklasse hin zum grauen Alltag in der Fußball-Bundesliga, wie bekommt man »gute Energie und Leidenschaft« auf den hart umkämpften Platz des VfL Bochum? Trainer Oliver Glasner, der Trainer der Frankfurter Eintracht, weiß wie: »Mit geistiger Frische.«

Und die kann man sich auf vielerlei Art und Weise holen, durch Siege, durch positive Ergebnisse oder einfach durch die Tatsache, dass man, sagen wir, an einem Donnerstagvormittag bei 15 Grad und Sonnenschein auf sattgrünem Rasen trainieren darf. »Es kann einen im Leben«, sagt der Fußballlehrer, »schlimmer erwischen, als Fußballprofi zu sein.« Was sind da schon 35 000 Zusehende in einem »Sandwich-Spiel« zwischen zwei Partien binnen einer Woche gegen Tottenham?

Geistige Frische also. Leichter gesagt als erreicht. Immerhin kann Eintracht Frankfurt für sich beanspruchen, gefestigter zu sein, der positive Trend, den die Mannschaft nach der 0:1-Heimniederlage gegen den VfL Wolfsburg an den Tag gelegt hat, soll fortgeführt werden. Anfang September habe man eben nicht jene geistige Frische aufgebracht, jene Konzentration, jenen Willen und Mut, um »unser Spiel durchzubringen«. Das sei jetzt anders, sein Team habe in den letzten Wochen einen Reifeprozess durchlaufen, der Glasner zuversichtlich stimmt, dass sich ein Leistungsknick wie gegen Wolfsburg nicht mehr so einfach ereignet. Einen der größten Fehler, den sein Team machen kann, ist, auf die Tabelle zu schauen, er jedenfalls tue dies nicht. »Wenn wir den Tabellenersten schlagen können, dann könne man auch gegen den Letzten verlieren. Die Eintracht ist ja in dieser Hinsicht ein bisschen vorbelastet, den Schwachen hilft man gerne kurzfristig auf die Beine, Beispiele gibt es zuhauf.

Dass Glasner seine Elf umbauen wird, ist angesichts der Gelb-Rot-Sperre von Randal Kolo Muani klar. Lucas Alario oder Rafael Borré seien beide »sehr nah dran«, sagt der Coach, denkbar ist, dass Alario zu seinem zweiten Startelfeinsatz kommt. Sicher ist, dass der gegen Tottenham verletzte Mario Götze ins Team zurückkehrt, seine Probleme am Sprunggelenk sind behoben. Ansonsten hat sich Glasner natürlich personell nicht in die Karten schauen lassen, er verriet nicht, ob er rotieren und etwa Oldie Makoto Hasebe eine Verschnaufpause geben wird. THOMAS KILCHENSTEIN

(sid). Die Fans sangen zuletzt vom Europacup, Champions-League-Platz vier ist nur einen Sieg entfernt - doch Werder Bremens Trainer Ole Werner hält den Ball vor dem Fußball-Bundesliga-Gastspiel heute (20.30 Uhr/DAZN) bei 1899 Hoffenheim flach - verspricht aber: »Wir werden versuchen, offensiv zu spielen.«

Das klappte bislang prima. Nur Bayern München hat bisher mehr Tore erzielt als die Hanseaten, die sich mit einem Sieg beim Neunten im vorderen Drittel festsetzen wollen.

Wie in einem harmonischen Ensemble ein Rädchen ins andere greift, haben die deutschen Fußballerinnen gerade erst bei einer Führung durch die Semperoper in Dresden bewundert. Sie haben den Musikern und Tänzern beim Aufwärmen zugesehen und einen Blick hinter die Kulissen geworfen, was für eine gelungene Aufführung alles veranlagt wird. Solch Anschauungsunterricht kann nicht schaden, da der Vize-Europameister für das Freundschaftsspiel gegen Frankreich (Freitag 20.30 Uhr/ARD) in der Elbmetropole selbst eine größere Bühne betritt. Für die Neuauflage des EM-Halbfinals sind 24 500 Karten verkauft. Die Live-Übertragung zur Primetime dürfte zudem ein Millionenpublikum an den Fernseher locken.

Damit werden zentrale Forderungen erfüllt, die die EM-Heldinnen erhoben hatten. Es geht um mehr Sichtbarkeit, um mehr Anerkennung - und damit dauerhaft ein größeres Publikum. Bei Länderspielen, aber auch in der Bundesliga. Die Rekordkulisse beim Eröffnungsspiel bei Eintracht Frankfurt (23 200 Zuschauende) war ein erstes Ausrufezeichen, an den ersten beiden Bundesligaspieltagen kamen mehr Fans als in der gesamten Hinrunde der Vorsaison. Der karge Besucherschnitt (811) aus 2021/22 dürfte Vergangenheit sein. Die EM hat jenen Impuls gegeben, der eigentlich von der Heim-WM 2011 ausgehen sollte.

»Die EM-Euphorie konnte mitgenommen werden, das sieht man anhand der Zuschauerzahlen«, sagt Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg. Die 54-Jährige ist erfreut über das positive Feedback der Fans. »Wir sind sichtbar, sie kennen die Namen, sie erkennen die Spielerinnen und das ist eine tolle Entwicklung.«

Ihr Team ist gefordert, ansprechende Leistungen abzuliefern, auch wenn gegen die spielstarken Französinnen mit Marina Hegering (Fußverletzung), Sara Däbritz (Sprunggelenk), Lina Magull (Corona-Infektion) und Giulia Gwinn (Knieverletzung) vier EM-Stützen fehlen. Nun aber können sich diejenigen zeigen, die schon in England gerne mehr Spielanteile gehabt hätten. »Die Stammelf muss sich weiterentwickeln, und gleichzeitig muss man die Belastung steuern«, beschreibt Mittelfeldorganisatorin Lena Oberdorf den Spagat bis zur WM 2023 in Australien und Neuseeland. Der Traum: Am 20. August 2023 glückt in Sydney beim WM-Finale, was beim EM-Endspiel in Wembley nicht gelang. Für den Fortschritt brauchen die DFB-Frauen hochkarätige Testmöglichkeiten, die mehr bringen als freudlose Qualifikationsspiele.

DFB-Kapitänin Alexandra Popp, die den Doppelpack anbrachte, der in Milton-Keynes das umkämpfte Halbfinale entschied, stört sich nur daran, dass Verband und Vereine offenbar auf den Boom an der Basis nicht vorbereitet waren. Daran übt die 31-Jährige, die merkwürdigerweise nun schon wiederholt mit einem Karriereende vor der WM kokettiert hat, offen Kritik. Der DFB hat 50 197 Erstregistrierungen bei den Mädchen verzeichnet - und damit gar nicht gerechnet. Es fehlt in den Ballungsräumen an Personal, Plätzen und Kapazitäten.

Das wachsende Interesse am Frauen- und Mädchenfußball bekräftigt eine Studie, die die ehemalige Schweizer Nationalspielerin Bettina Baer für den DFB anfertigte. Demnach gibt es 39,7 Millionen Fußball-Interessierte in Deutschland, von denen 19 Millionen sowohl den Fußball der Männer als auch der Frauen verfolgen würden. Die Zahl dürfte in absehbarer Zeit noch steigen. Das Zugpferd bleibt dabei ein erfolgreiches Frauen-Nationalteam, das am besten schon in Dresden wieder Harmonie ausstrahlt. FRANK HELLMANN

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Eintracht-Trainer Oliver Glasner kann beim Schlusslicht in Bochum wieder auf Mario Götze zählen. © IMAGO

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