Erst Papa, dann Reisechaos, nun Smith

(dpa). Martin Schindler wird diesen Dezember 2022 in besonderer Erinnerung behalten. Erst die Geburt von Tochter Hailey unmittelbar vor der Darts-WM, dann das riesige Reisechaos samt Gepäckverlust sowie die lange ersehnte Siegpremiere im bekannten Alexandra Palace. Und schließlich an Heiligabend der Flug von London in die Heimat, um das erste Weihnachtsfest zu dritt zu genießen.
Wenn Schindler nach den Feiertagen am späten Mittwochabend (22.45 Uhr/Sport1) gegen Michael Smith das bisher größte Spiel seiner Karriere absolviert, kann er also eigentlich relativ entspannt sein: Für ihn ist es im Dezember schon recht gut gelaufen, auch ohne das erste WM-Achtelfinale der Laufbahn.
Das Kräftemessen mit dem »Bully Boy«, wie der Weltklassespieler aus England genannt wird, ist für Schindler eine Art Meisterprüfung - sportlich wie mental. Denn der 26 Jahre alte Strausberger wird es nicht nur mit dem überragend aufgelegten Starspieler Smith zu tun bekommen. Sondern auch mit rund 3000 Fans im »Ally Pally«, die wie bei seinem 3:1-Auftaktsieg gegen Martin Lukeman eher gegen ihn sein und schon seine Einlaufmusik mit Pfiffen begleiten dürften.
Schindler blickt der Partie relativ gelassen entgegen, vom größten Spiel seines Lebens möchte er nicht sprechen. »Ich denke, da kommen noch viel größere Spiele. Das würde ich nicht auf dieses Spiel begrenzen. Es ist schön, unter den letzten 32 der Welt zu sein. Es gab definitiv auch schon andere gute und wichtige Spiele«, sagte Schindler. Das mag für die Bedeutung auf der Tour stimmen, nicht aber für die öffentliche Wahrnehmung, in der die WM alljährlich die restliche Darts-Saison deutlich überragt.
Auf den großen Bühnen galt Schindler lange als Nervenbündel. Beim WM-Auftakt gegen den Engländer Lukeman bewies er das Gegenteil, als er als erster Profi bei dieser WM den sogenannten »Big fish« (170 Punkte mit drei Pfeilen) schaffte und den gefährlichen Außenseiter besiegte. Nun geht »The Wall« mit Selbstvertrauen ins Duell mit Smith. »Ich bin mir absolut im Klaren darüber, dass ich jemanden wie Michael Smith schlagen kann«, sagte Schindler.
Nach einer starken Saison könnte er Gabriel Clemens sogar bald als deutsche Nummer eins ablösen. »Martin ist meiner Meinung nach kurz davor, bei einem großen Turnier weit zu kommen. Er hat so ein gutes und konstantes Jahr gespielt«, sagte Darts-Experte Elmar Paulke über Schindler, der in den vergangenen Jahren einige Höhen und Tiefen hinter sich hat und vor dieser WM beim größten Turnier der Welt eine Bilanz von 0:3-Siegen aufzuweisen hatte.
Gabriel Clemens derweil hat seinen Krimi bei der WM in London für sich entschieden und steht zum zweiten Mal im Achtelfinale. Am Dienstagabend bezwang der 39 Jahre alte Saarländer den Waliser Jim Williams in einem hochklassigen und dramatischen Match mit 4:3. Er hat damit ein Preisgeld von 35 000 Pfund (knapp 40 000 Euro) sicher.
»Ich war eigentlich tot, habe es dann irgendwie geschafft, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Ich habe ein paar gute Momente gehabt«, sagte der überwältigte Clemens in einer ersten Reaktion bei DAZN. »Es war mit Sicherheit eins der sehr guten Spiele.«