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Hinteregger in Erklärungsnot

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Schon wieder Ärger um Martin Hinteregger. FOTO: IMAGO © IMAGO

(dur/dani). Keine 300 Einwohner zählt das beschauliche Örtchen Sirnitz in Österreich, da kennt jeder jeden aus dem Effeff, und umgekehrt, möchte man meinen - geht es nach Martin Hinteregger, aufgewachsen und auch mit 29 Jahren noch heimisch im Dorf in Kärnten, ist dies jedoch nicht in Gänze der Fall. Jedenfalls habe er, der Fußballprofi von Bundesligist Eintracht Frankfurt, »keine Kenntnisse über vergangene oder zukünftige Aktivitäten seitens der Familie Sickl«.

Die Familie Sickl, ebenfalls aus Sirnitz stammend, ist in Österreich eine nicht ganz unbekannte. So war Elisabeth Sickl, mittlerweile 82 Jahre alt, einst Abgeordnete für die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) im Kärtner Landtag, später sogar Bundesministerin. Ihr Sohn, Ex-FPÖ-Gemeinderat Heinrich Sickl, schlug ebenfalls den politischen Karriereweg ein, ihm wird eine deutliche Nähe zum rechten Milieu nachgesagt.

Was geradewegs zum Problem führt: Denn Martin Hinteregger und Heinrich Sickl haben gemeinsam ein Hobbyfußballturnier geplant, den »Hinti-Cup«. Der aktuelle Stand der für die zwischen dem 16. und 19. Juni avisierten Veranstaltung: Fiasko statt Fußballfest. Bis gestern befand sich Hinteregger in einer geschäftlichen Beziehung mit Sickl junior. Das deckten Recherchen des freien Journalisten Michael Bonvalot auf.

Demnach sei Sickl gleichberechtigter Gesellschafter der Hinti Event GmbH, über die der Verteidiger als weiterer Gesellschafter das Hobbyturnier organisiert hat. »Die GmbH wurde von drei gleichberechtigen Gesellschaftern gegründet, die jeweils 12 000 Euro eingebracht haben: Martin Hinteregger, einer Gastronomin - und FPÖ-Mann Heinrich Sickl«, schreibt Bonvalot. Mit dem »Hinti-Cup«, bei dem auch Musik-Acts geplant sind, wollte sich der Frankfurter Europapokalsieger bei seinen Fans für die Unterstützung bedanken. Ein Veranstaltungsort sollte auch das Schloss Albeck sein, dessen Besitzerin Elisabeth Sickl ist.

Hinteregger wehrte sich in einem am Donnerstagmittag veröffentlichten Statement auf Instagram entschieden gegen Vorwürfe des Rechtsradikalismus. Es sei »unglaublich«, dass ein Unbekannter, der namentlich nicht genannte Michael Bonvalot, solche Dinge über ihn behaupte. Er wie die Familie Sickl seien in Sirnitz verwurzelt, da sei es »naheliegend«, das Anwesen Schloss Albeck als Location zu nutzen. Und weiter: Er wolle lediglich ein Fußballturnier ausrichten, »mehr nicht«.

Geschäftsbeziehung mit Sickl beendet

Die Geschäftsbeziehung zu Heinrich Sickl brach Hinteregger nach Veröffentlichung des Artikels ab, auch die Austragung des Turniers werde geprüft, hieß es. Hinteregger abschließend in seinem Statement: »Ich weise Anschuldigungen, dass ich rechts orientiert bin, klar ab und setze mich weiter gegen jegliche Art der Diskriminierung ein.«

Den Stein ins Rollen gebracht hatte, wie erwähnt, der Journalist Bonvalot. Der Reporter, der unter anderem auch schon beim »Spiegel«, dem ORF oder der »Wiener Zeitung« veröffentlicht hat, verfolgt das Treiben des Heinrich Sickl seit vielen Jahren. »Er ist ein Rechtsextremer mit engster Verbindung zum Neo-Faschismus«, sagt Bonvalot im Gespräch mit der FR. Sickl sei in Österreich sehr wohl bekannt, zumindest auf politischem Parkett. »Wer sich im politischen Geschehen auskennt, wird von ihm gehört haben. Er gehört der zweiten Reihe der FPÖ an«, sagt der Journalist. Die FPÖ, über die er 2017 ein Buch veröffentlich hat (»Partei der Reichen«), setzt er mit der deutschen AfD gleich. »Das ist die gleiche Suppe.«

Weshalb sich Hinteregger, der laut Autor ebenso wie die Eintracht 24 Stunden vor Veröffentlichung des Artikels eine Anfrage zur Stellungnahme erhalten habe, die jeweils unbeantwortet geblieben sei, geschäftlich mit Sickl einließ, vermag Bonvalot nicht zu sagen. »Jugendfreunde sind es eher nicht, vielleicht kommt die Verbindung über den Vater zustande. Da kann ich nur mutmaßen«. Klar ist für ihn: »Sirnitz ist ein kleiner Ort. Da kennen sich alle.«

Fischer zeigt klare Kante

Besondere Brisanz erhält die Causa dadurch, dass es sich bei Hintereggers Arbeitgeber um die Eintracht handelt. Der Klub ist zu Recht stolz auf seine weltoffene Haltung. Schon vor 30 Jahren brachten die Fans mit dem Aktionsshirt »United Colors of Bembeltown« ihre antirassistische Haltung zum Ausdruck. Auch die aktuelle Mannschaft zählt 16 verschiedene Nationen im Kader.

Und da wäre natürlich noch der Präsident, Peter Fischer, der Vorzeigemann des deutschen Profifußballs, wenn es um den Kampf gegen Antisemitismus und Rassismus geht. Fischer, ausgezeichnet mit dem Fair-Play-Preis des deutschen Sports sowie der renommierten Buber-Rosenzweig-Medaille, tritt seit Jahren in der Öffentlichkeit lautstark für die Werte der Eintracht auf imd zeigte klare Kante nach dem rechtsterroristischen Anschlag von Hanau. Ohnehin ist die Frankfurter Fanszene mehrheitlich dem linken Spektrum zuzuordnen. Gerade die Ultras sollen nach Bekanntwerden von Hintereggers Verbindung zu FPÖ-Mann Sickl in heller Aufruhr sein. Der teilte am Donnerstag mit, er ziehe sich aus der Organisation des Hinti-Cups zurück. Die medialen Anschuldigungen seien ein demokratiepolitischer Skandal und machten ihn betroffen.

Dass Martin Hinteregger ein etwas anderer Fußballprofi ist, ist kein Geheimnis. Er fährt schon mal einen Fan nach Hause oder lädt ihn nach Hause auf ein kühles Blondes ein. Er zieht gerne um die Häuser, taucht seine Siegermedaille ins Bier und schleckt sie ab. Er wankt über die Straße und fliegt anderntags einen Helikopter - mit ihm selbst als Pilot am Steuerknüppel. In Augsburg ist er mit dem Eintracht-Rucksack zum Training gekommen, ist im Trainingslager über ein Altstadtfest getorkelt, er schreibt Bücher, in denen sich vieles um Alkohol dreht.

Die Eintracht wartete am Donnerstag bis um 17.45 Uhr, ehe sie eine Stellungnahme abgab. Der Klub habe keine Kenntnis von Inhalt und Form der Geschäftsbeziehung zwischen Hinteregger und Sickl gehabt, hieß es. »Die nun zu Tage getretene geschäftliche und gesellschaftsrechtliche Nähe zu einem Vertreter des rechten politischen Spektrums in Österreich verlangt eine klare Distanzierung«, schrieb der Verein, der für Toleranz, ind Weltoffenheit steht. »Diese Haltung wurde in den vergangenen Jahrzehnten zu einem klaren Leitbild des Klubs« und sei ein »nicht verhandelbares Grundprinzip«.

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