»In Stücke gerissen«

Experten erkennen das »Ende einer Ära«: Jürgen Klopp und der FC Liverpool drohen nach der 2:5-Klatsche gegen Real Madrid auch in der Königsklasse krachend zu scheitern.
Jürgen Klopp suchte nach der »Horrorshow« im eigenen Wohnzimmer, nach der »totalen Kapitulation« und »Demütigung« fast verzweifelt einen Hoffnungsschimmer. Während die britischen Fußball-Experten und Medien nach dem 2:5 (2:2)-Debakel am Dienstag gegen Real Madrid nicht weniger als das »Ende einer Ära« ausmachten und schon spürbare Konsequenzen einforderten, verwies Klopp beharrlich auf ganz kleine Lichtblicke.
»Der Start in die Partie war herausragend. Wir haben gespielt wie in der Vergangenheit«, sagte der 55 Jahre alte Trainer des seit Monaten strauchelnden LFC, gestand aber nach dem nächsten unerklärlichen Einbruch den bevorstehenden Achtelfinal-K.-o. in der Champions League ein: »Carlo Ancelotti glaubt, dass das Duell entschieden ist, und ich glaube das auch - zumindest im Moment.« An eine spektakuläre Wende im Rückspiel in drei Wochen mochte er zunächst nicht glauben.
Und so deutet viel darauf hin, dass eine von Beginn an verkorkste Saison endgültig so richtig teuer wird für Klopp und seinen Klub. In der kommenden Champions-League-Saison droht Liverpool mehr denn je eine Zuschauerrolle. Denn auch in der Liga hinkt der Traditionsverein der Spitze als Tabellenachter hinterher.
Mit einer Mischung aus individuellen Slapstickeinlagen und kollektivem Tiefschlaf stellte der Champions-League-Sieger von 2019 gegen das zunächst überraschte Real um Nationalspieler Antonio Rüdiger einmal mehr zur Schau, wie weit er von früherem Glanz entfernt ist, und schenkte eine 2:0-Führung nach 14 Minuten her. Den Ausgleich durch Doppeltorschütze Vinicius Junior verursachte Reds-Keeper Alisson Becker mit einem kapitalen Fehler, beim 2:3 reichte Real eine einfache Standardsituation.
Liverpool, im Königsklassen-Finale des vergangenen Sommers 1:0 von den Madrilenen besiegt und damit noch ganz nah am Titel dran, ist so auf höchstem Niveau kaum konkurrenzfähig. »Sie sind ein zerbrechliches Team, und es muss sich etwas ändern. Ich glaube nicht, dass Jürgen Klopp gehen muss, aber einige Spieler haben nicht mehr das Level, um für Liverpool zu spielen«, sagte der einstige französische Topstar Thierry Henry bei CBS Sport: »Das passiert den Besten. Es ist das Ende einer Ära.« Reds-Ikone Jamie Carragher stimmte ein: »Es wird sich mit diesem Team nichts mehr ändern.«
Ähnlich endgültig fielen die Reaktionen der britischen Presse aus. Die »Sun« kommentierte, Klopp müsse »die Trümmer seines Anfield-Imperiums betrachten«, nachdem sein Team »in Stücke gerissen« (»Daily Express«) worden war. Doch Klopp will sich nicht kleinkriegen lassen. »Es war ein schwerer Schlag«, sagte er, »aber eine Niederlage ist nur eine Niederlage, wenn wir nicht daraus lernen.« In der Liga bei Crystal Palace am Samstag soll der dritte Sieg in Serie her, um wieder nach oben schielen zu können. »Ich weiß, dass das 2:5 einen Schaden anrichten kann«, sagte Klopp: »Ich hoffe, ich kann dafür sorgen, dass das nicht passiert.«
(sid). Bälle-Ritual und Geburtstagsständchen für Union Berlins Trainer Urs Fischer, Zweckoptimismus bei den Bossen von Bayer Leverkusen: Vor den wegweisenden Rückspielen in der Europa-League-Zwischenrunde gegen Ajax Amsterdam und bei der AS Monaco könnte die Stimmung bei den deutschen Vertretern kaum unterschiedlicher sein.
Fischer musste vor Unions nächster womöglich magischer Europapokal-Nacht leiden. Zumindest ein bisschen. Seine Spieler hatten ihn beim Abschlusstraining vor dem zweiten Duell mit Ajax am Donnerstag (21 Uhr/RTL) als verspätetes »Geburtstagsgeschenk« eingekesselt, während sie ihn fröhlich mit Fußbällen bewarfen und dabei »Happy Birthday« trällerten. Die Treffer, die Fischer gerne einsteckte, zeigten ihm: Seine Mannschaft ist bereit für den Topspiel-Doppelpack. »Der ein oder andere war hart, weil er auch präzise war. Ich hoffe, diese Präzision nehmen die Jungs mit«, kommentierte Fischer das Ritual.
Schnell jedoch hatte der Schweizer, der am vergangenen Montag 57 Jahre alt geworden war, wieder das Kommando übernommen und schwor seine Überflieger auf die Woche der Wahrheit ein. Erst wollen die Köpenicker nach dem 0:0 im Hinspiel mit Ajax ins Achtelfinale stürmen, ehe sie beim Bundesliga-Topspiel am Sonntag (17.30 Uhr/DAZN) den punktgleichen FC Bayern tatsächlich von der Tabellenspitze stürzen könnten.
»Schöne Aufgaben, die anstehen. Ist doch toll. Was will man mehr?«, sagte Fischer bei DAZN, nachdem sein Team am Sonntag beim 0:0 gegen Liga-Schlusslicht Schalke 04 durchaus müde gewirkt hatte - die Nachwehen vom Ajax-Hinspiel nur drei Tage zuvor. Daher Fischers Befehl: »Es gilt, bestmöglich zu regenerieren. Dann steht eine neue Aufgabe an mit Ajax. Wir werden alles daransetzen, eine Runde weiterzukommen.« Dafür wird es aber Tore brauchen, die Union in den vergangenen beiden Pflichtspielen nicht zu schießen vermochte.
Personell kann Fischer im Rückspiel wieder auf Kapitän Christopher Trimmel und Janik Haberer setzen, die in Amsterdam gelbgesperrt gefehlt hatten. Auch der zuletzt wegen Krankheit abwesende Diogo Leite ist wieder fit. Bangen muss Union um Linksverteidiger Niko Gießelmann, der das Training am Mittwoch abbrach.
Unter die letzten 16 will natürlich auch Bayer Leverkusen, im Vergleich zu Union ist die Ausgangslage aber komplizierter. Mit 2:3 hatte die Werkself das Hinspiel verloren - Sport-Geschäftsführer Simon Rolfes gibt sich dennoch zuversichtlich. »Natürlich hätten wir lieber gewonnen oder unentschieden gespielt, aber wir können in Monaco gewinnen«, sagte der frühere Nationalspieler vor der Partie am Donnerstag (18.45 Uhr/RTL+).
Nach der hochemotionalen Niederlage im Hinspiel, die viel Diskussionsstoff bot, forderte er von der Mannschaft Cleverness. »Emotionen sind wichtig für das Spiel, aber trotzdem kontrolliert. Es ist wichtig für morgen, dass wir die Energie und den Willen aus dem Hinspiel mitnehmen und trotzdem kontrolliert und clever bleiben«, so Rolfes am Mittwoch. Er verspüre vor allem »Vorfreude. Es war schon ein intensives Hinspiel zweier guter Mannschaften auf hohem Niveau«.
In Monaco steht die Werkself nach der viel diskutierten Last-Minute-Pleite unter Zugzwang, Selbstvertrauen konnte Bayer sich in der Liga zuletzt nicht holen. Trainer Xabi Alonso schonte gegen Mainz 05 am vergangenen Sonntag einige Stammkräfte und musste ebenfalls eine 2:3-Heimniederlage hinnehmen. »Wir können gerade keine Konstanz finden. Das ist ein großes Thema«, hatte der Spanier nach der Partie gesagt. In der Liga steht Bayer auf Rang zehn, elf Punkte hinter den Europacup-Plätzen.
(dpa). Bayern Münchens Trainer Julian Nagelsmann ist nach seinem verbalen Ausraster am vergangenen Bundesliga-Wochenende mit einer milden Strafe und ohne eine Sperre davongekommen. Das DFB-Sportgericht hat den 35-Jährigen nur mit einer Geldbuße von 50 000 Euro belegt. Wie der Deutsche Fußball-Bund am Mittwoch mitteilte, haben der FC Bayern und Nagelsmann dem Urteil zugestimmt.
Nagelsmann hatte sich nach dem Spiel bei Borussia Mönchengladbach (2:3) am vergangenen Samstag im Kabinentrakt unsportlich gegenüber dem Schiedsrichterteam um Tobias Welz (Wiesbaden) geäußert. »Da er bislang sportgerichtlich noch nicht in Erscheinung getreten war, sich noch am selben Abend entschuldigte und auch in der Stellungnahme an den Kontrollausschuss Einsicht zeigte, sah das Gremium von der Beantragung eines Innenraumverbots ab«, hieß es in der Mitteilung. Auslöser für den Zorn von Nagelsmann war eine Rote Karte gegen Innenverteidiger Dayot Upemacano, der am Dienstag für ein Spiel gesperrt worden war.
(sid). Alexandra Popp blies die Wangen auf und ließ die Lippen flattern. Die Einordnung des Warnschusses zum Start in das WM-Jahr fiel der Jubilarin schwer. Die rackernde Kapitänin hatte sich zwar wieder das Prädikat »Mentalitätsmonster« verdient - doch die mitreißende EM-Magie, die die deutschen Fußballerinnen auf ihrer Mission dritter Stern beflügeln soll, war kaum zu erahnen.
»Wir haben natürlich schon noch etwas Zeit bis zur WM, Gott sei Dank«, beschwichtigte Popp nach dem holprigen 0:0 gegen Schweden in Duisburg, ihrem 125. Länderspiel. Das zeigte auf: In den fünf Monaten vor der Endrunde in Australien und Neuseeland gibt es noch viel zu tun: »Wir haben gesehen, an welchen Stellschrauben wir arbeiten müssen. Es war für viele auch brutal schwierig, in ein neues System zu kommen.«
Doch längst nicht nur die ausprobierte Dreierkette gegen Spielende bereitete nach einem sechstägigen Trainingslager in Marbella Probleme. »Es war mehr ein Fußball-Kampf. Wir brauchen mehr Sicherheit im Spielaufbau«, monierte Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg - da wähnten sich die Vizeeuropameisterinnen nach dem Sommermärchen in England doch schon deutlich weiter.
Auch die TV-Quote von 2,61 Millionen Fans (11,4 Prozent Marktanteil) am frühen Dienstagabend zeigte noch eine Menge Luft nach oben. »Wir haben schon noch Entwicklungspotenzial«, meinte auch Nationaltorhüterin Merle Frohms, die vor 20 169 Fans gleich mit mehreren Glanztaten einen richtigen Fehlstart verhindern musste.
Gerade im Mittelfeld wurde ihre erkrankte Wolfsburger Teamkollegin Lena Oberdorf als Anker und Abräumerin schmerzlich vermisst. »Wir wissen natürlich, dass wir eine der weltbesten Spielerinnen auf der Position sechs haben, und die ist so wichtig«, räumte Voss-Tecklenburg ein.
Wie viel unsicherer der zweimalige Weltmeister ohne die 21-Jährige auftritt, sagt alles über Oberdorfs außergewöhnliche Qualität als Schlüsselspielerin aus. »Das Zentrum war brutal offen«, bilanzierte auch Popp mit Blick auf die erste Halbzeit gegen die robusten und clever pressenden Schwedinnen, die nach dem WM-Platz drei 2019 in diesem Jahr ebenfalls um den Titel mitspielen wollen. Der Austausch mit Edelfan und Equal-Pay-Verfechter Olaf Scholz war so am Ende vielleicht mit das Positivste an diesem Abend.
Die WM-Vorbereitung der DFB-Frauen geht rund um Ostern weiter, für die Nationalspielerinnen stehen bis dahin wichtige Aufgaben mit den Vereinen in Liga, DFB-Pokal und Champions League an. Für den kommende Lehrgang hat Voss-Tecklenburg auf jeden Fall »viele Bilder« zum Videostudium im Gepäck.
Gegen wen als Nächstes getestet wird, ist allerdings noch nicht fix. Im Raum stehen hochkarätige Länderspiele gegen Vizeweltmeister Niederlande und den Titelkandidaten Brasilien. Im Sommer dann beginnt die Titeljagd mit den Gruppenspielen gegen Marokko, Kolumbien und Südkorea.
Donnerstag
FC Nantes - Juventus Turin (Hinspiel: 1:1) 18.45 Uhr
Midtjylland - Sport. Lissabon (Hinspiel: 1:1) 18.45 Uhr
AS Monaco - Bayer Leverkusen (Hinspiel: 3:2) 18.45 Uhr
PSV Eindhoven - FC Sevilla (Hinspiel: 0:3) 18.45 Uhr
Manchester Un. - FC Barcelona (Hinspiel: 2:2) 21.00 Uhr
St. Rennes - Schachtar Donezk (Hinspiel: 1:2) 21.00 Uhr
Union Berlin - Aj. Amsterdam (Hinspiel: 0:0) 21.00 Uhr
AS Rom - RB Salzburg (Hinspiel: 0:1) 21.00 Uhr
Als Gruppensieger für das Achtelfinale qualifiziert sind der FC Arsenal, Fenerbahce Istanbul, Betis Sevilla, der SC Freiburg, Ferencvaros Budapest, Royale Union St. Gilloise, Real Sociedad San Sebastian sowie Feyenoord Rotterdam.
