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Jetzt kommen dicke Brocken

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Unzufrieden ist nicht nur Mats Hummels mit der BVB-Vorstellung in Kopenhagen. © IMAGO

Trainer Oliver Glasner hat Eintracht Frankfurt zu einem Spitzenteam entwickelt - und sich selbst zu einem der spannendsten Trainertypen Europas.

(sid). Hasan Salihamidzic war »ein wenig stolz«. Und das nach einer perfekten Gruppenphase nicht nur auf seinen FC Bayern. Es sei »natürlich gut und schön, dass so viele deutsche Klubs weitergekommen sind. Wir haben in Europa in dieser Phase ein Zeichen gesetzt«, betonte der Münchner Sportvorstand. Nach 2014/15 und 2020/21 stehen in Bayern, RB Leipzig, Borussia Dortmund und Eintracht Frankfurt erneut vier Fußball-Bundesligisten im Achtelfinale der Champions League, in der dicke Brocken warten. Selbst dem FC Bayern droht in der ersten K.-o.-Runde ein Hammerlos. Neben dem FC Liverpool könnte es auch zum Duell mit dem Starensemble von Paris St. Germain kommen. Auch Dortmund, Frankfurt und Leipzig erwarten ganz hohe Hürden. Als Gruppenzweite könnten sie auf Real Madrid, Manchester City oder den FC Chelsea treffen. Entsprechend gespannt gehen die Blicke am Montag (12 Uhr) zur Auslosung in der UEFA-Zentrale in Nyon.

Die Hinspiele des Achtelfinale steigen am 14./15. sowie am 21./22. Februar, die Rückspiele am 7./8. und 14./15. März. Die Gruppensieger haben im Rückspiel Heimrecht. Ein Duell der vier deutschen Teams ist nicht möglich. Auch Gegner aus der Gruppenphase sind ausgeschlossen.

Lostopf 1: Bayern München, Real Madrid, FC Chelsea, Manchester City, Tottenham Hotspur, SSC Neapel, FC Porto, Benfica Lissabon

Lostopf 2: Borussia Dortmund, Eintracht Frankfurt, RB Leipzig, FC Liverpool, FC Brügge, Inter Mailand, AC Mailand, Paris St. Germain.

(dpa). Die Stimmung war ähnlich schlecht wie bei Verlierern. Wortkarg und missmutig kommentierten die Dortmunder Profis das magere 1:1 (1:1) im letzten Champions-League-Gruppenspiel beim FC Kopenhagen. Dass der BVB wie schon beim schmeichelhaften Sieg in Frankfurt in der Fußball-Bundesliga am Wochenende erneut nur mit Glück einer Niederlage entging, war nicht gerade die beste Einstimmung auf den Jahresendspurt. Da ließ es Emre Can auch nicht als Ausrede gelten, dass sein Team bereits vor dem Anpfiff für die K.-o.-Runde qualifiziert war und zahlreiche Stars schonte. »Wir sind rumgejoggt, wir sind rumgegangen«, schimpfte der Nationalspie- ler und legte erzürnt nach: »Wir spielen hier Champions League. Es geht um viel Geld. Es geht darum, dass sich jeder zeigen, dass sich jeder beweisen will. Das haben wir zu 100 Prozent nicht erfüllt.«

Die Siegprämie in Höhe von 2,8 Millionen Euro war der Borussia nicht Anreiz genug. Gleich reihenweise ließ der bisher sieg- und torlose Tabellenletzte aus der dänischen Hauptstadt vor allem in der ersten Halbzeit selbst beste Torchancen ungenutzt. Deshalb war der BVB nach der zwischenzeitlichen Führung durch Thorgan Hazard (23.) mit dem Ausgleichstreffer von Hakon Haraldsson (41.) noch gut bedient. Anders als Mittelfeldspieler Can, schlug Trainer Edin Terzic diplomatischere Töne an und warb um Nachsicht für seine nach langer Terminhatz abgekämpften Profis: »Es war die fünfte englische Woche. Da muss man dem einen oder anderen auch mal verzeihen.« Gleichwohl klang auch beim Fußball-Lehrer Enttäuschung durch: »Wir wollten zeigen, dass wir in diesem Spiel - auch wenn es nicht um Leben oder Tod ging - alles raushauen. Aber wir hatten sehr viele Ballverluste und mussten uns viele Konter einfangen. Das war nicht die allersauberste Vorstellung.«

Es passte ins Bild fehlender spielerischer Harmonie, dass sich die Offensivkräfte mitunter selbst im Weg standen. Als Karim Adeyemi in der 53. Minute nach schönem Solo den frei stehenden Anthony Modeste bedienen wollte, brachte der zu hektischem Übereifer neigende und schlechter postierte Donyell Malen den Franzosen mit einem schwachen Abschluss um das mögliche 2:1. Modeste fiel es schwer, sich Schelte zu verkneifen: »Das war nicht das erste Mal. Aber ich will keine Kritik äußern. Am Ende müssen wir zusammenarbeiten.«

Ohne eine deutliche Steigerung droht bis zum Beginn der WM-Pause weiteres Ungemach. Dabei will der Bundesligavierte in den restlichen drei Spielen daheim gegen den VfL Bochum und auswärts gegen den VfL Wolfsburg und Borussia Mönchengladbach noch Boden im Meisterkampf gutmachen.

Nach dem Husarenritt von Lissabon ist der Frankfurter Fußball-Trainer gebeten worden, dieses ganz spezielle Jahr auf Europas Bühnen Revue passieren zu lassen, seit dem ersten K.-o.-Spiel gegen Betis Sevilla im Frühjahr, über das Europa-League-Finale gegen Glasgow Rangers bis hin zum Erreichen des Achtelfinales in der Champions League. Das seien doch sicher die schönsten neun Monate seiner Karriere gewesen, wenn nicht seines Lebens. Oliver Glasner hat gezuckt. Die schönsten neun Monaten seien die gewesen, als seine Frau Bettina schwanger war und die Kinder auf die Welt gekommen waren. Diese Antwort war, sagen die, die den 48 Jahre alten Österreicher besser kennen, typisch: Er weiß, was wirklich wichtig ist, selbst in diesen ganz besonderen Momenten.

Glasner nennt sich selbst einen von Erfolg Getriebenen, einen Besessenen, ungeduldig bis zum Gehtnichtmehr. Er will immer besser werden, will seine Mannschaften auf ein höheres Level hieven. Er hat eine Idee, wie er Fußball spielen lassen will. Und die setzt er um.

Von seinem Weg lässt sich der Fußballlehrer, der vor elf Jahren nach einer lebensbedrohlichen Schädeloperation seine aktive Karriere beendet hatte, nicht abbringen. Dazu gibt es eine Geschichte: Beim VfL Wolfsburg, seiner ersten Trainerstation im Ausland, lief es in der Anfangszeit überhaupt nicht, im Gespräch mit Sportdirektor Jörg Schmadtke äußerte Glasner Zweifel, er fragte, ob er seine Herangehensweise ändern solle. Schmadtke riet ihm davon ab, »sonst schmeiß ich dich raus«. Bleibe standhaft, zieh dein Ding durch, habe ihm der Funktionär bedeutet.

Heute geht Glasner mit der Vorgabe in ein Spiel, es zu gewinnen, egal gegen wen es geht, egal ob zu Hause oder auswärts. Haltung solle seine Mannschaft zeigen, ihre Identität nicht verleugnen. »Wichtig ist mir«, sagte er jetzt nach dem 2:1 gegen Sporting, »dass wir immer wir geblieben sind.« Es müsse klar sein, für was Eintracht Frankfurt stehe. Glasner ist der Architekt dieses Frankfurter Parforceritts durch Europa.

Selbstkritik gehört dazu

Der Österreicher achtet sehr darauf, dass auch die weichen Faktoren stimmen. »Als Trainer bist du nichts, wenn du die Spieler nicht auf deiner Seite hast«, hat er mal gesagt. Da hilft es, wenn taktische Konzepte aufgehen, Umstellungen fruchten, etwa in Lissabon die Hereinnahme von Sebastian Rode und das Vorrücken von Daichi Kamada. Seine charakterstarke Mannschaft macht ihm das Arbeiten leicht, sie hat sein Ansehen gesteigert. Glasner gehört mittlerweile zu den spannendsten Trainertypen in Europa. Einst galt er als farblos, inzwischen, so titelte der »Spiegel«, habe er »das Leuchten gelernt«.

Andererseits dauerte es eine Weile, bis das Team ins Laufen kam. Der Bundesliga-Start war holprig. Die Leistungsschwankungen waren anfangs frappierend. Auch das hat sich auf hohem Niveau eingependelt, der Mann aus Riedau hat das Team zu einer verschworenen Einheit geformt.

Glasner ist standhaft, aber er ist nicht stur. Dass die Viererkette, deren Verfechter er ist, nicht funktioniert, hat er spätestens nach der 0:3-Schlappe in Bochum feststellen müssen. Dies Partie hatte er vercoacht, er hat dafür öffentlich Verantwortung übernommen. Er reflektiert sein Tun, ist selbstkritisch, lässt auch, wie nach der 0:1-Niederlage gegen Wolfsburg, seinen Frust ab (»desas-trös«, »Katastrophe«).

Dass die Mannschaft im Augenblick in aller Munde ist, in jedem Spiel an Grenzen geht, überragend performt, kann sich der Normalgebliebene auf seine Fahne schreiben. Er findet Lösungen, zuweilen auch unerwartete. Er hat den Kader hinter sich gebracht, selbst Rafael Borré, vor einem halben Jahr der Held von Sevilla und mittlerweile Reservist, hält er bei der Stange. Weil er auf Menschen zugeht. Glasner weiß, wie Spieler zu packen sind. Er ist nahbar, auch im Privatleben. Er fühlt sich wohl in Frankfurt, genießt den Kontakt mit den Menschen, sei es im Apfelweinlokal oder nach dem Triumph von Sevilla im Bierkönig von Mallorca. »Anderen Menschen Freude bereiten, das ist für mich eine der schönsten Sachen, die ich machen kann«, hat Glasner gesagt.

Aber der Mann kann auch bestimmend sein: Als im Sommer über einen Verkauf von Kamada spekuliert wurde, hat er ein Machtwort (»Er bleibt«) gesprochen und den Konflikt mit Sportvorstand Markus Krösche ausgehalten. Nun hat sich Glasner ein weiteres Ziel gesetzt: Er will der Eintracht das Image der launischen Diva nehmen. Zuzutrauen ist es ihm.

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Trainer Oliver Glasner will mit Eintracht Frankfurt noch große Sprünge machen. © IMAGO

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