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Keine Zeit für Romantik

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Hoffnungsträger beim BVB ist Eden Terzic. © IMAGO

Die Fußball-Bundesliga will im Weltmarkt wieder mehr Geld verdienen - die neue Chefin Donata Hopfen soll liefern, aber auch die Klubs selbst sind gefordert.

(dani). Die Frage lag auf der Hand, was zu einer recht routinierten Antwort führen sollte. Ja, so Torsten Lieberknecht, selbstverständlich sei die Rückkehr zu seiner Ex, zur Eintracht aus Braunschweig, etwas Besonderes für ihn, für den Fußballtrainer, der dort 15 Jahre lang werkelte, davon zehn als Chefcoach der Profis. Aber, so Lieberknecht, »ganz nüchtern betrachtet« spielten bei der Zweitligapaarung seines aktuellen Arbeitgebers, dem SV Darmstadt 98, in Braunschweig am Sonntag (13.30 Uhr/Sky) die »Vergangenheit und die Romantik« kaum eine Rolle. »Ich weiß, dass ich in Braunschweig ein gern gesehener Gast bin, aber jetzt komme ich als Gegner.«

Die Darmstädter konnten zuletzt zweimal gewinnen, erst in der Liga gegen Sandhausen (2:1), dann im Pokal in Ingolstadt (3:0). Die Mannschaft befindet sich auf einem guten Weg. Während Mathias Honsak, Thomas Isherwood und Clemens Riedel verletzt fehlen werden, sind die am Freitag ins Training zurückgekehrten Jannik Müller und Aaron Seydel zumindest Kandidaten für die Ersatzbank. Auch Oscar Vilhelmsson, junge Sturmhoffnung aus Schweden, ist nach seiner Bänderblessur im Knöchel wieder fit.

Unterdessen hat am Freitagabend Fortuna Düsseldorf beim SV Sandhausen die erste Saisonniederlage kassiert. Durch das 0:1 (0:0) verpassten die Rheinländer den vorübergehenden Sprung an die Tabellenspitze.

(dpa). Selbst für BVB-Liebling und Pokalsieger-Coach Edin Terzic ist der Saisonstart eine Premiere. Wenn Borussia Dortmund am Samstag (18.30 Uhr/Sky) zum ersten Bundesliga-Topspiel gegen Bayer Leverkusen antritt, erlebt Terzic erstmals als BVB-Cheftrainer ein voll besetztes Fußball-Stadion. »Ich freue mich sehr darauf, das wird ein besonderer Tag«, sagte der 39 Jahre alte Dortmund-Fan seit Kindheitstagen.

Terzic hatte die Borussen nach der Trennung von Lucien Favre Ende 2020 in seiner Zeit als Interimscoach coronabedingt ausschließlich in leeren Stadien trainiert und dabei immerhin noch zum Pokalsieg geführt. Spätestens seitdem ist der Sunnyboy in Dortmund Everybody’s Darling. Seit Jürgen Klopp hatte kein Trainer des BVB im Umfeld mehr Kredit als der im sauerländischen Menden geborene Westfale. Die Hoffnungen in Terzic sind riesig. Und der ist entschlossen, nun mit den Fans, die in Dortmund eine ungeheure Wucht im Stadion erzeugen können, die Sehnsüchte des Anhangs nach zehn Meisterschaften des FC Bayern in Serie zu befriedigen. »Wir sind bereit, das erste Ausrufezeichen zu setzen«, sagte Terzic mit Blick auf das Duell mit Leverkusen, das zuletzt immer Spektakel bot.

Unter Terzic soll es für die Dortmunder auch wieder zurückgehen zu den Wurzeln. Es ist mal wieder ein Neustart für den BVB, der x-te seit dem Abgang der vor allem von Club-Chef Hans-Joachim Watzke heiß geliebten Trainer-Ikone Klopp vor sieben Jahren. Weder Favre noch Marco Rose funktionierten zuletzt in einem der kompliziertesten Trainerjobs der Liga. Terzic scheint für das in den vergangenen Jahren zum Dauernörgeln neigende Dortmunder Publikum ein Coach fürs Gemüt zu sein. Immer wieder betonte das BVB-Gewächs in den vergangenen Wochen die Wichtigkeit des Anhangs.

Sportlich muss Terzic insbesondere die teils hanebüchene Abwehrarbeit der Westfalen, die mehrere Trainer in den letzten Jahren nicht in den Griff bekamen, verbessern. »Das wollen wir unbedingt. Wir brauchen da mehr Ernsthaftigkeit in der Torverteidigung«, sagte der BVB-Coach, dem dafür in Niklas Süle von Bayern München und Nico Schlotterbeck vom SC Freiburg zwei Nationalspieler vom ebenfalls neuen Sportchef Sebastian Kehl an die Hand gegeben wurden.

»Es reicht nur nicht, zwei neue Jungs für die Innenverteidigung zu holen«, warnte Terzic. »Wir müssen uns als ganze Mannschaft deutlich verbessern.« Gerade gegen die offensivstarken Leverkusener sind die Dortmunder da besonders gefordert. Blöd, dass Süle aufgrund einer Muskelverletzung aus dem Pokalspiel bei 1860 München (3:0) ausfällt. Doch Terzic, der in Weltmeister Mats Hummels, qualitativ hochwertigen Ersatz hat, nimmt dies ohne Klagen hin. Dies gilt auch für den in vielerlei Hinsicht heftigeren Ausfall von Sturm-Zugang Sébastien Haller, der wegen eines Hodentumors monatelang fehlt. »Meine Aufgabe ist es, erst mal mit den verfügbaren Spielern zu arbeiten. Ich bin auch davon überzeugt, mit diesen Spielern eine vernünftige Saison zu spielen«, sagte Terzic, der zumindest öffentlich auf Forderungen nach Ersatz verzichtet. Auch das kommt an im Club und beim Anhang. Gleichwohl läuft Kehls Suche nach einem Kurzzeitersatz für Haller natürlich auf Hochtouren.

Der Ball in der Fußball-Bundesliga rollt wieder. Und gleich das erste Wochenende bietet nach dem Auftakt von Eintracht Frankfurt gegen den FC Bayern weitere Spannungselemente: Die designierten Bayern-Verfolger Bayer Leverkusen und Borussia Dortmund treffen heute Abend (18.30 Uhr) zum Topspiel aufeinander, vorher geht schon das zumindest in der Hauptstadt mit Hochspannung erwartete Derby Union Berlin gegen Hertha BSC über die Bühne.

Unter besonderer Beobachtung stehen auch die beiden wegen ihrer Popularität und mithin medialen Präsenz im Oberhaus hochwillkommenen Rückkehrer Schalke 04 (Sonntag beim 1. FC Köln) und Werder Bremen (Samstag in Wolfsburg). In der vergangenen Saison hatte die deutsche Eliteklasse erkennbar darunter gelitten, dass allenfalls lokal abstrahlende Marken wie Augsburg, Fürth, Bielefeld, Bochum, Hoffenheim, Wolfsburg und Mainz kaum überregionale, geschweige denn internationale Wahrnehmung erbrachten.

Globale Erlöse

eingebrochen

Gerade in der globalen Vermarktung verspricht sich die Bundesliga endlich wieder Steigerung, nachdem die Erlöse zuletzt um rund 20 Prozent eingebrochen waren. Aber um mehr Geld zu verdienen, müsste auch etwas passieren. »Nur zwei Top-Mannschaften sind zu wenig«, sagt Alexander Wehrle, Vorstandschef beim VfB Stuttgart. »Je spannender und ausgeglichener die Bundesliga sich präsentiert, desto mehr Interesse weckt sie in Deutschland und international.«

Die Bundesliga bekommt aus den Medienerlösen im Vergleich zu den Engländern nur etwas mehr als die Hälfte ausgezahlt: 1,1 zu 2,05 Milliarden Euro. International kassiert die deutsche Eliteklasse gar nur etwa ein Zehntel jener 2,1 Milliarden Euro, die die Premier League im Ausland erwirtschaftet.

»Wir müssen die Erlöse, die derzeit bei unter 200 Millionen Euro dümpeln, dringend und signifikant steigern, wenn wir weiter im Konzert der großen Ligen in Europa mitspielen wollen«, sagt Bayer Leverkusens Geschäftsführer Fernando Carro. Die Forderung geht vor allem an die neue Ligachefin Donata Hopfen, die eine Digitalisierungsoffensive angekündigt hat. Die Bundesliga habe »noch gar nicht richtig angefangen, unser Potenzial richtig auszuschöpfen«, so der Aufsichtsratschef der Deutschen Fußball-Liga (DFL), Hans-Joachim Watzke im »Kicker«. Der Boss von Borussia Dortmund führt aus: »Wenn wir unsere Auslandserlöse in einem nennenswerten Umfang erhöhen wollen, dann kommen wir nicht darum herum, Präsenz zu zeigen. Zu Ende gedacht bedeutet das, dass jeder Bundesligist und zahlreiche Zweitligisten eingeladen sind, raus in die Kernmärkte zu gehen. In die USA, nach Asien, irgendwann vielleicht auch mal nach Australien, so wie es jetzt der FC Liverpool gemacht hat.« Das wiederum widerspricht ein wenig der zuletzt von Eintracht Frankfurt ausgerufenen Kampagne »Eintracht in der Region«. Unter dem in diesem Frühjahr von Eintracht-Vorstandssprecher, dem künftigen DFL-Präsidiumsmitglied Axel Hellmann, ausgerufenen Motto »Wetterau statt Asien« stärkt der Champions-League-Teilnehmer seine Verbindung zur Heimat und zeigt dort ständige Präsenz.

Um mehr Spannung zu erzeugen, hat DFL-Chefin Hopfen Playoffs nicht von vorneherein ausgeschlossen. Christian Heidel, Sportvorstand von Mainz 05, tut sich »schwer damit«. Denn: »Es kann nicht sein, dass wir den Bayern etwas wegnehmen, das sie sich erarbeitet haben. Die Denkweise dahinter ist: Wie macht man die schlechter? Und nicht: Wie machen wir uns selbst besser?« Der Stuttgarter Wehrle plädiert zur Erhöhung der Konkurrenzfähigkeit »dafür, einen Schlüssel zu finden, um vor allem die in den europäischen Wettbewerben generierten Medienerlöse einiger weniger Klubs solidarischer zu verteilen.« Denn: »Die Schere geht zu weit auseinander. Wir haben dadurch in der Champions League praktisch einen geschlossenen Kreis.« Zur Erklärung: In der Königsklasse nehmen die Bayern allein aus UEFA-Ausschüttungen rund 90 Millionen Euro pro Saison ein, mehr als die Hälfte der Bundesligisten dagegen keinen einzigen Cent.

Interessanter

Heidel-Vorschlag

Heidel sieht es genauso wie Kollege Wehrle: »Das Problem der wirtschaftlichen Ungleichheit ist der europäische Fußball. Ob wir aus der Vermarktung der Bundesliga fünf Millionen Euro mehr TV-Geld bekommen und Bayern fünf Millionen Euro weniger, wird doch überhaupt nichts verändern. Ich finde, dass in der Königsklasse im Vergleich zur Europa League viel zu viel Geld bezahlt wird. Ich wäre eher dafür, die Europa League total aufzuwerten.«

Das ist ein interessanter Gedanke. Heidel würde es begrüßen, »dass der Vierte nicht mehr in der Champions League spielt, sondern in einer viel besser dotierten Europa League. Wenn dort bessere Teams antreten, die sich auch besser vermarkten lassen, würde ich bei der Champions League eine Milliarde wegnehmen und sie stattdessen in die Europa League stecken. Das hätte den Effekt, dass auch der Tabellenfünfte der Bundesliga nicht so viel weniger verdient als der Tabellendritte. Das ist aktuell einfach nicht gut verteilt.«

Wahr ist aber auch, dass national Optimierungsbedarf herrscht: In der Bundesliga bekommt der Erste aus der Vermarktung der DFL das Dreifache des Letzten: 95 Millionen gegenüber 33 Millionen. In der Premier League geht es gerechter zu: Da wird dem Ersten nur etwa das 1,6-Fache des Letzten überwiesen: dem Ersten umgerechnet 200 Millionen, dem Letzten 125 Millionen Euro - fast das Vierfache des Schlusslichts in der Bundesliga!

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Die DFL will vor allem im Ausland die Medienerlöse steigern. © IMAGO

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