Kneipen pfeifen auf Katar
Boykott - ja oder nein? In Katar wird die umstrittenste WM der Geschichte ausgetragen, viele Kneipen in Deutschland zeigen die Spiele nicht.
Es gibt Freibier, alte WM-Spiele mit den Helden Helmut Rahn, Franz Beckenbauer oder Lothar Matthäus - aber keine Bilder aus Katar. Viele Kneipen in Deutschland boykottieren die umstrittenste WM der Geschichte. Selbst Weltmeister Kevin Großkreutz verzichtet in seiner Dortmunder Bar »Mit Schmackes« auf die Übertragungen aus der Wüste.
»Wir sind Fußball-Fans, eigentlich gibt es nichts Größeres«, sagte Christopher Reinecke, Geschäftsführer von »Mit Schmackes«, dem sid. Eigentlich. »Dass sich da jemand die Taschen voll macht, ist das eine«, sagte Reinecke, aber die Verletzung von Menschenrechten, der Umgang mit Homosexuellen, die unwürdigen Arbeitsbedingungen und das Thema Nachhaltigkeit seien schlicht zu viel.
Nach Gesprächen mit den Mitarbeitern und Großkreutz habe sich »Mit Schmackes« zum Boykott entschieden. »Wir wollen uns aber nicht als ganz toll darstellen«, sagte Reinecke: »Ich verstehe jeden, der die Spiele zeigt.« Denn: Allein mit dem Sonntagabend-Spiel zwischen Deutschland und Spanien entgeht der Kneipe ein Umsatz von etwa 2500 Euro.
Und doch sind immer mehr Kneipen dabei. Die Initiative »Boycott Qatar 2022« überzeugte viele Gastronomen, die sich zusammengeschlossen haben und sagen: »Kein Katar in meiner Kneipe.«
Rund 200 Gaststätten quer durch die Republik machen mit. Die WM sei »extrem fragwürdig, deshalb möchten wir damit nichts zu tun haben«, schreiben die Macher vom Aalhaus, einer Kultkneipe in Hamburg.
Auch die größten Public Viewings wie etwa die »Fanmeile« in Berlin fallen aus - teils aus Protest gegen Katar, vor allem aber wegen der Jahreszeit. Es gibt Ausnahmen: In Wolfsburg wird auf dem Weihnachtsmarkt zum Glühwein Fußball gezeigt - zumindest die deutschen Spiele.
Statt Live-Bilder aus Katar zu bringen, bieten viele Kneipen ein Alternativprogramm an. Einige lassen die Helden von einst wieder über die Fernseher flimmern, zeigen alte WM-Spiele. Oder sie planen Infoveranstaltungen sowie Diskussionsrunden zu Katar.
Boris Braun, Betreiber des »Cafe Wanderer« in Nürnberg, setzt bei seinem Boykott auf einen besonderen Anreiz für seine Kunden. »Bier geht immer, deswegen wird es zu den Spielen der Deutschen, wo die Verlockung hierzulande am größten ist, ab Anpfiff Freibier geben«, sagte er dem Merkur. Die Brauerei »Orca Brau« aus Nürnberg bietet zur WM ein »Boycott Qatar Bier« an. Für »alle, die die WM in Katar genauso verurteilen wie wir«, heißt es: »Flagge zeigen! Schmecken lassen!«
Viele Kneipen zeigen die WM-Spiele aber auch, manche bieten gleichzeitig ein Info-Programm. Manche Betreiber wollen Teile der WM-Einnahmen spenden, etwa an die Hinterbliebenen von verstorbenen Arbeitsmigranten. Andere Gastwirte sind schlichtweg auf das WM-Geschäft angewiesen: wegen der Corona- und Energiekrise.
An dieser WM sei einfach »alles völlig absurd«, sagten die Geschäftsführer Holger Britzius und Michael Jachan vom berühmten »Stadion an der Schleißheimer Straße« in München der Abendzeitung, aber sie werden dennoch alle Spiele zeigen: »Der Hauptgrund ist, und da sind wir komplett ehrlich, wir können es uns nicht leisten, einen Monat dicht zu machen. Das geht einfach nicht.«