Mindestalter wird auf 17 angehoben

(sid). Die Zeit der Ausbeutung von eislaufenden Wunderkindern wie Kamila Walijewa soll vorbei sein - und der großen Katarina Witt purzelten etliche Steine vom Herzen. »Mit der Anhebung des Mindestalters auf 17 Jahre geht die ISU einen richtigen, zeitgemäßen Weg«, sagte Witt: »Glückwunsch zu dieser historischen Entscheidung.«
Die am Dienstag vom Weltverband ISU beschlossene Regeländerung sieht eine schrittweise Erhöhung des Mindestalters bis zu den Olympischen Winterspielen 2026 in Mailand und Cortina d’Ampezzo von 15 auf 17 Jahre vor. Laut Witt schütze dies »vorrangig die Athletinnen vor ihren teilweise überehrgeizigen Verantwortlichen«.
Die Erinnerungen an die Winterspiele von Peking sind noch frisch. Die Bilder, wie Witt als TV-Expertin mit der 15 Jahre alten Russin Walijewa gelitten und geweint hatte - und schließlich ein Umdenken forderte: Diese jungen Sportlerinnen, die von einer Trainerin wie der eiskalten Eteri Tutberidse zu Höchstleistungen gedrillt und womöglich auch gedopt werden, müssten geschützt werden. »Ich hätte sie aus dem Fegefeuer herausgeholt und ins Flugzeug nach Hause gesetzt«, wetterte Witt damals - und wurde rund vier Monate später erhört.
Witt, die in ihrer großen Karriere 1984 und 1988 olympisches Gold sowie vier Welt- und sechs Europameistertitel gewonnen hatte, hofft durch die Entscheidung des Weltverbandes auch auf einen Popularitätsschub für ihre Sportart. »So könnten wieder langjährige, spannende und faire Wettkämpfe entstehen und die Fans weltweit begeistern«, sagte die 56-Jährige und fügte schmunzelnd hinzu: »Vielleicht sind ja bei Olympischen Winterspielen dann auch die zahlreichen One-Olympia-Hit-Wonder beendet, und eine wettkampferprobte Eiskunstläuferin stellt endlich mal meinen Rekord ein.«
Walijewa war in Peking 15 Jahre alt und hatte sich mit Vierfachsprüngen in Serie in die Rolle der Topfavoritin auf Gold katapultiert - bis ein positiver Dopingtest den schönen Schein enttarnte. Die Welt sah zu, wie Walijewa in der Kür stürzte und weinend vom Eis lief, wie Trainerin Tutberidse sie dafür mit einem Blick der Verachtung und beißenden Worten strafte. Das soll sich nicht mehr wiederholen, entschied der Weltverband am Dienstag in Phuket.
100 Länder stimmten bei 16 Gegenstimmen und drei Enthaltungen für die Anhebung der Altersgrenze auf Spitzenniveau. Zunächst ab Sommer 2023 auf 16 Jahre, dann ab 2024 auf 17 Jahre. Witt, einst selbst ein Kinderstar, freut sich darüber. Die Frage, warum »15 und 16 Jahre alte russische Talente« mit »faszinierenden Ausnahmeleistungen gewinnen und dann für immer die Eisbühne des Leistungssports verlassen«, beschäftigte sie.
Den Grund dafür brachten Experten und Ärzte noch in Peking ans Licht. Vor der Pubertät seien insbesondere Mädchen wie Walijewa in der Lage, Drei- oder sogar Vierfachsprünge in Serie dank ihrer schmalen, leichten Körper aufs Eis zu zaubern.
Der zweimalige Europameister Norbert Schramm bezeichnete die ISU-Entscheidung im Gegensatz zu Witt als »Augenwischerei«. Sie sei »ein erster Schritt«, sagte der frühere Vizeweltmeister am Dienstag, »aber ich glaube kaum, dass es etwas Positives für den Sport bewirken kann. Es reicht einfach nicht aus. 17-Jährige haben im Profisport nichts verloren«. Er würde sich »eine Anhebung des Mindestalters auf mindestens 18 Jahre, besser noch auf 21 wünschen«.
Die Internationale Eislauf-Union hatte das Thema schon vor dem Skandal von Peking im Blick, doch erst der öffentliche Druck führte zu einem Umdenken und zu einer Entscheidung.
