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»Mister Frankfurt« am Start

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Martin Kosgey hat die Frankfurter Festhalle 2019 als Vierter erreicht. Auch am Sonntag gehört der Kenianer zum Favoritenkreis. © IMAGO

Er lacht. Martin Kosgey empfindet es als Auszeichnung, dass er inzwischen als »Mister Frankfurt« bezeichnet wird. Kaum ein kenianischer Spitzenläufer hat tatsächlich zum ältesten deutschen Stadtmarathon eine so enge Beziehung aufgebaut wie der 33-Jährige. Wer zweimal als Zweiter (2016, 2018) und zweimal als Vierter (2017, 2019) in die Festhalle stürmt, muss das Rennen mögen.

»Frankfurt ist mein zweites Zuhause«, versichert der Langstreckenspezialist, der nach zwei wegen der Pandemie abgesagten Veranstaltungen auch bei der 39. Auflage am Sonntag wieder an der Startlinie steht. Natürlich hat der Vielstarter hier seine Bestzeit (2:06:41 Stunden) aufgestellt.

»Dieser Zieleinlauf ist spektakulär. Unterwegs denke ich immer schon dran«, erzählte Kosgey, der zu Pressegesprächen in Jogginghose und Badelatschen erscheint. Er wohnt in der Nähe von Kapsabet, betreibt ein bisschen Landwirtschaft und seine drei Kinder wachsen nicht in völliger Armut auf. Doch die Pandemie hat auch ihm Sorgenfalten auf die Stirn getrieben. »Plötzlich konnten wir nur noch trainieren.« Und nichts mehr verdienen. Schwierige Zeiten.

Frankfurt als zweitgrößter deutscher Marathon hinter Berlin hat die Hälfte der früher für Antrittsgelder und Prämien veranschlagten 400 000 Euro eingespart. Der Sportliche Leiter Christoph Kopp muss fürs Spitzenfeld mehr selektieren - und hoffen, dass trotzdem ordentliche Siegerzeiten bei der »Highlight-Veranstaltung der Stadt Frankfurt« (Bürgermeister Mike Josef) herauskommen. Dass mit dem Äthiopier Betesfa Getahun derjenige mit der besten Vorleistung (2:05:28) wegen »Streitigkeiten mit seinem Management« (Kopp) kurzfristig nicht anreiste, hilft da nicht wirklich. Nun trägt sein erst 22-jähriger Landsmann Gebru Redahgne (2:05:58) die Hoffnungen, unter 2:06 Stunden zu finishen.

»Frankfurt hat international immer noch einen tollen Namen«, betont Kopp. Der Berliner Tausendsassa, der mit seiner Agentur 30 Topathleten managt und zwölf Rennen leitet, erinnert sich noch gut an die Zeiten vor zehn Jahren, als abseits der ostafrikanischen Armada kaum jemand glänzen konnte - erst recht keine Deutschen. »Das hat sich positiv verändert. Die Laufszene glänzt mit Leistung. Wir stehen im europäischen Vergleich gut da.«

In Frankfurt wäre Europameister Richard Ringer jetzt dabei gewesen, wenn ihn nicht eine Blessur aus München gebremst hätte. Trotzdem steht mit Filimon Abraham und Hendrik Pfeiffer ein starkes deutsches Duo an der Startlinie. »Ich hoffe, dass ich mit Filimon Abraham eine coole Gruppe erwische, um im besten Fall in 2:08, 2:09 anzukommen«, sagt der ehrgeizige Pfeiffer. Weil ihm die EM-Vorbereitung durch eine Corona-Infektion »zerschossen wurde«, hatte sich der 29-Jährige dazu entschieden, noch einen Herbstmarathon einzubauen. Eigentlich war New York geplant, doch die Macher wollten ihn nicht im Elitefeld starten lassen. Sich mit fünf Minuten Abstand durch die Häuserschluchten zu wälzen, kam für ihn nicht infrage - nun heißt es eben Mainhattan statt Manhattan. Pfeiffer, persönliche Bestzeit 2:10:18 Stunden, war 2015 als Tempomacher in Frankfurt am Start - jenes Jahr, in dem Arne Gabius mit Ansage einen Uraltrekord der deutschen Leichtathletik brach. »Das hatte Sogwirkung«, sagt Pfeiffer, der seitdem ein »wesentlich professionelleres Vorgehen« der deutschen Laufszene registriert. Zusammengefasst. »Wir sind mutiger geworden.« Der gebürtige Düsseldorfer trainiert mittlerweile von Januar bis März im Hochland von Kenia, wohnt monatelang für 20 Euro pro Tag in einer bescheidenen Unterkunft - »und dann werde ich neun von zehn Einheiten auseinandergenommen«. Diesen Mut, meint Pfeiffer, hätten viele früher nicht besessen.

Wobei gerade die Frage ist, was im Läufer-Wunderland Kenia wirklich Begabung, Talent und Training - und was Doping ist. Mehr als zwei Dutzend Leichtathleten aus Kenia wurden in diesem Jahr schon gesperrt und suspendiert. Darunter viele erfolgreiche Marathonläufer. »Das wirft ein schlechtes Licht auf die Szene«, gesteht Kopp.

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