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»Nach der WM alles wie vorher«

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Unter dem Motto »Katar 2022 - Nicht unsere WM!« berichten Arbeiter von ihrer Arbeit im Golf-Staat. © DPA

(dpa). Jeevan KC sitzt mit verspiegelter Sonnenbrille, Kapuze über dem Kopf und einer Maske vor Mund und Nase im Haus am Dom mitten in Frankfurt und erzählt von den Arbeitsbedingungen in Katar. Der Nepalese ist mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung unterwegs. Zum Schutz seiner Identität tritt er vermummt auf. Und dennoch ist er bei der Veranstaltung »Katar 2022.

Nicht unsere WM!« am Samstagabend so etwas wie ein Gesicht der Proteste gegen die Fußball-Weltmeisterschaft.

Jeevan KC, Mitglied des Migrantenarbeiter-Netzwerks in Katar und dort Supervisor auf den Baustellen, berichtet im Detail davon, worüber kurz vor dem so kritisierten WM-Turnier am Golf (20. November bis 18. Dezember) immer mehr reden - über den Umgang mit Arbeitern. Schon 2003 kam er nach Katar, ursprünglich habe er Geld für ein Studium in Katmandu verdienen wollen, sagt er. »Seit 2020 gibt es einen Mindestlohn, der für alle gilt - das ist eine gute Entwicklung. Andere Dinge sind nicht besser geworden«, sagt er.

Es gebe kein Spritgeld mehr für die Fahrt in die Unterkünfte oft weit außerhalb der Städte, Zahlungen der Arbeitgeber würden ausbleiben (»Ich habe acht Monate kein Gehalt bekommen«), zu wenig Reformen seien umgesetzt: Zum Beispiel, dass es Banken nicht - wie vorgeschrieben - gemeldet werde, wenn keine Gehälter bezahlt werden. Oder dass das mit den eingerichteten staatlichen Beschwerdestellen für ausländische Arbeiter schwierig sei: die Bürokratie, und dann kosten da schon die Übersetzer Geld.

Katar steht wegen Menschrechtsverstößen und des Umgangs mit Arbeiterinnen und Arbeitern aus anderen Ländern schon lange in der Kritik. In der Vergangenheit war es auch zu tödlichen Unfällen auf WM-Baustellen gekommen. Die Regierung des Emirats verweist auf eigene Reformen und weist Teile der Kritik zurück.

Auch auf der Reise des Bundeskanzlers am Wochenende auf die arabische Halbinsel war die WM ein Thema. »Zur Kenntnis nehmen wir, dass es auch Fortschritte gibt in Fragen, um die lange gerungen werden musste, etwa was die Situation von Beschäftigten betrifft. Auch wenn das noch lange nicht den Vorstellungen entspricht, die wir selber haben«, sagte Olaf Scholz am Sonntag in Katars Hauptstadt Doha.

»Wenn man auf diesen Baustellen arbeitet, da ist sogar Trinkwasser ein Problem. Im Sommer ist es wahnsinnig heiß, zum Teil über 50 Grad, manchmal bis zu 75 Prozent Luftfeuchtigkeit«, erzählt Jeevan KC.

Die Ausrichter der Veranstaltung in Frankfurt - das Netzwerk von »Nie wieder!«, »Unsere Kurve«, dem Verein Gesellschaftsspiele aus Berlin und der Initiative »Boycott Qatar« - ist »nicht so naiv zu glauben, dass wir die WM verhindern«. Das sagt Gerd Wagner vom Kooperationspartner Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS). »Aber wir wollen Impulse setzen.« Dabei gehe es vor allem um künftige Kriterien, nach denen der Weltverband FIFA Veranstaltungen vergebe.

Auch für Katja Müller-Fahlbusch von Amnesty International Deutschland geht es darum, »Vergabemechanismen zu verändern«. Der Druck von außen sei wichtig, »diese Stimmen werden gehört«, aber: »Wir wissen, wenn die WM vorbei ist, wird ein ganz großer Teil der öffentlichen Aufmerksamkeit vorbei sein.« Es gehe darum, diese Lobby-Arbeit aufrecht zu erhalten.

Malcolm Bidali, ein ehemaliger migrantischer Arbeiter in Katar und Mitgründer von Migrant Defenders, saß am Samstag ohne Sonnenbrille in der Runde. Der Kenianer, einst kritischer Blogger im Golf-Staat, ist nach einem Gefängnisaufenthalt längst zurück in seiner Heimat Kenia. »Wenn man über die WM spricht, schaut man nur auf die Baustellen, aber es ist noch viel mehr: Gerade Menschen, die in Haushalten arbeiten, haben noch größere Schwierigkeiten.« Auch Bidali macht sich keine Illusionen und sagt: »Ich denke, nach der WM fliegen die Fußballspieler zurück, und dann geht alles wieder weiter, wie es vorher war.«

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