Ordentlich, mehr nicht

Für die Stuttgarter Kickers hat es gereicht. Die Eintracht aus Frankfurt hat nun allerdings ein richtiges Kaliber vor der Brust.
Natürlich ist der Frankfurter Trainer nach der Pflichtaufgabe in Stuttgart-Degerloch gefragt worden, ob es nicht einfacher gewesen wäre, das Ergebnisse früh höher zu stellen, um Kräfte zu sparen. Wenn es denn so einfach wäre. Oliver Glasner hat da nicht mal mit der Wimper gezuckt. Natürlich wäre es einfacher gewesen, aber bei all den schönen Plänen gibt es immer noch einen Gegner, der sie liebend gerne über den Haufen werfen möchte, selbst ein Fünftligist will das. »Ich habe nicht damit gerechnet, dass wir zur Halbzeit 6:0 führen«, sagte der Coach der Hessen nach dem glanzlosen 2:0 bei Kickers Stuttgart und dem Einzug ins Achtelfinale, das am Sonntag ausgelost wird und im nächsten Jahr gleich vier Spieltage vorsieht: am 31. Januar und am 1. Februar sowie am 7. und 8. Februar.
Aber auch ohne Kantersieg gab es am Weiterkommen des hochhaushohen Favoriten nie Zweifel. Da ließ sich auch verschmerzen, dass die Hessen nach der frühen Führung ziemlich bald in den Verwaltungsmodus schalteten. Ein Verhalten, das der nachsichtige Coach Glasner »als früherer Spieler« und angesichts des prallen Programms, das noch auf die Frankfurter bis Mitte November wartet, absolut nachvollziehen mochte.
Ohnehin war das Überwintern im Pokal gegen denn Oberligisten nur ein Ziel des Abends. Fast genauso wichtig war dem Fußballlehrer, die Belastungen der Spieler sinnvoll zu steuern und auf mehrere Schultern zu verteilen. Evan Ndicka oder Jesper Lindström kamen gar nicht zum Einsatz, Daichi Kamada lediglich ein paar Minuten vor Schluss. Dazu wechselte 1:0-Torschütze Randal Kolo Muani nach einer Stunde auf die Auswechselbank, bekamen Rafael Borré und 2:0-Torschütze Hrvoje Smolcic über 90 Minuten Spielpraxis. »Vieles von dem, was wir wollten, haben wir abgerufen«, sagte Glasner, der die nächsten Aufgaben - am Samstag in Mönchengladbach, dann am Mittwoch das erste Endspiel in der Champions League gegen Olympique Marseille - im Blick haben muss.
Kein Zitterfuß mehr
Und ganz sicher würde die Leistung vom Dienstagabend bei Weitem nicht ausreichen, um die nächsten Hürden überspringen zu können. Dazu war die Vorstellung der Frankfurter dann doch zu dünn, zu zurückgenommen, dazu braucht es deutlich mehr. Linksverteidiger Christopher Lenz traf den Punkt: »Dieses Mal hat es gereicht, aber in anderen Spielen müssen wir den Sack früher zumachen.« Bemerkenswert war, dass das Kombinationsspiel der Eintracht arg holperte, was sicherlich zu einem Großteil an den widrigen Platzverhältnissen lag.
Es kann aber auch daran gelegen haben, dass spielstarke Typen nicht dabei waren. Daichi Kamada etwa, der, als er hereinkam, sofort mit seiner Spielintelligenz und seinen technischen Fertigkeiten für eine gewisse Ordnung sorgte. Der Japaner hat im Vergleich zur vergangenen Saison noch einmal ein paar Prozent draufgepackt, er wird mehr und mehr zum Dreh- und Angelpunkt dieser Mannschaft. Er hat die Ideen, die das Spiel nach vorne bringen. Er ist der Impulsgeber. Kamada ist der, der die am Dienstagabend vom Coach vermisste »Energie nach vorne« entwickelt.
Und er hat mittlerweile eine erstaunliche Torgefahr entwickelt. Nichts mehr ist zu sehen vom einstigen Zitterfuß kurz vorm Abschluss: Sechs Tore in der Bundesliga (seine bisherige Bestmarke waren fünf), zwei im DFB-Pokal, eines in der Champions League - der 26-Jährige, momentan auf dem Höhepunkt seines Schaffens, hat es in 16 Pflichtspielen für die Eintracht auf neun Treffer (drei Vorlagen) gebracht. Dazukommen zwei Treffer für die japanische Nationalmannschaft und Tore, die erst nach Einschreiten des VAR zurückgenommen wurden, oftmals eine hauchdünne Entscheidung zuungunsten des Japaners, der darüber hinaus defensiv enorm aufgeholt hat und viele Bälle erobert. Eine Fähigkeit, die Glasner besonders schätzt.
Gefehlt hat zudem Jesper Lindström, der wegen seines Tempos ebenfalls immer wichtiger wird für das Frankfurter Kollektiv. Ihn kann man guten Gewissens steil schicken, er liebt die Spurts in die Tiefe, ist - ähnlich wie Kolo Muani - von Gegenspielern im Sprint kaum zu halten. Kamada und Lindström sind Faktoren, die die Hessen deutlich besser machen. Die andere Seite der Medaille. Sind beide nicht dabei, hinkt das Spiel gewaltig, ist anfällig und entfaltet bei Weitem nicht die Durchschlagskraft, die erforderlich ist, um Gegner anderen Kalibers als Kickers Stuttgart in die Knie zu zwingen. Und davon kommen jetzt reichlich.