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Recherche und Fitness das A und O

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Spitzenschiedsrichter Felix Brych gibt Einblicke in seine intensive Spielvorbereitung. © IMAGO

Analysen und Matchplan sind nicht nur für Fußball-Stars wesentlich. Ohne intensive Spielvorbereitung läuft’s auch beim Schiedsrichter nicht, sagt Spitzenreferee Felix Brych.

Foulelfmeter, Handspiel oder Rot? Entscheidungen eines Schiedsrichters werden von Zehntausenden im Stadion und Millionen vor den Fernsehschirmen heiß diskutiert. Eine Basis für gute Leistungen legen die Unparteiischen abseits der großen Öffentlichkeit. »Ein Schiedsrichter gewinnt die Spiele mit den Dingen, die man nicht sieht. Der erste Moment im Kabinengang ist ganz wichtig, wie man dasteht, wie man den Spielern gegenübertritt«, sagt der frühere Weltschiedsrichter Felix Brych, für den ein Motto besonders wichtig ist: »Ich muss die Spieler für mich gewinnen.«

Brych zählt seit vielen Jahren zu den besten deutschen Schiedsrichtern, war bei der WM 2014 und 2018 sowie bei der EM 2016 und 2021 im Einsatz. International pfeift er seit zwei Jahren nicht mehr; Bundesliga-Spiele will der 47-Jährige aber auch in der neuen Saison noch leiten. Über sein Leben als Schiedsrichter schreibt der promovierte Jurist in seinem Buch »Aus kurzer Distanz«, das an diesem Donnerstag erscheint.

Stars und Trainer stehen im Mega-Business Profi-Fußball stets im Rampenlicht. Zwar hat sich auch die Bezahlung der Schiedsrichter verbessert, aber populärer und reicher werden immer die Spieler sein. Ein Schiedsrichter rückt nur in den Fokus, wenn er entscheidende Fehler macht. »Anfeindungen sind nicht einfach. Dieses dicke Fell aufzubauen, war auch eine Aufgabe. Aber das führt auch dazu, dass man mit einem dicken Fell durchs Privatleben geht, weil man das nicht einfach so wieder ablegen kann«, sagt Brych im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Von einem Schiedsrichter werde immer Perfektion verlangt, hebt der Münchner hervor. Eine wesentliche Grundlage ist für den Mann, der über 330 Bundesliga-Spiele und 69 Königsklassen-Partien geleitet hat, die Vorbereitung. Neben körperlicher Fitness für zehn, elf Kilometer pro Spiel und das Woche für Woche verbrachte er unzählige Stunden mit der Analyse: Vorangegangene Spiele, besondere Rivalitäten, Vorgeschichten, Verletzungen, Torflauten, sogar private Probleme der Stars interessieren Brych bei der Recherche.

»Ein Stürmer, der zehnmal nacheinander getroffen hat, lässt sich von mir wenig bis nichts sagen. Den muss ich ganz anders anpacken als einen, der zehn Spiele nicht getroffen hat«, beschreibt es der FIFA-Weltschiedsrichter von 2017. »Ich erinnere mich noch an ein Spiel mit Wayne Rooney, der zu der damaligen Zeit private Probleme hatte. Dann spielte er im Regen in Braga. Da muss man feinfühlig im Umgang sein.« Das Miteinander ist gerade mit Alphatieren wie Sergio Ramos, Giorgio Chiellini, Zlatan Ibrahimovic oder Sergio Busquets entscheidend. Denn wenn man die Anführer als »Partner« gefunden hat, hilft das enorm. »So, wie Ramos und ich miteinander umgehen, gehen auch die Mitspieler mit mir um.«

In der Regel setzt Brych, der als Abteilungsleiter Talentförderung und Schiedsrichter beim Bayerischen Fußball-Verband arbeitet, einen ganzen Tag für die Vorbereitung an. »Im heutigen Hochgeschwindigkeitsfußball ist es unmöglich, alles zu sehen. Meine größten Entscheidungen habe ich in die Zweifel reingepfiffen«, sagt er. »Manche Dinge muss man fühlen und anhand anderer Parameter oder Indizien entscheiden. Je besser die Vorbereitung war, desto besser war mein Gefühl für die Situationen.« Auch der Matchplan wird abgesteckt: Setzt man enge Grenzen oder lässt man mehr laufen? »Aber wenn das Spiel dann ganz anders läuft oder die Stimmungen auf dem Platz anders sind, muss man den Matchplan anpassen.«

Wie hart sich Fehler in der Vorbereitung auswirken können, erlebte Brych bei der WM 2018 im Spiel zwischen der Schweiz und Serbien. »Die politischen Konflikte dahinter hatte ich unterschätzt«, sagt er. Brych war nach dem Duell wegen eines nicht gegebenen Elfmeters von serbischer Seite angefeindet worden. Das Spiel und die Proteste kosteten ihn die Möglichkeit auf weitere Spiele in Russland. »Danach ging es mir nicht gut, auch körperlich nicht. Dann isst man abends auch mal zu viel Schokolade. Danach war jedes Spiel eine Belastung, weil es immer um mein Überleben als international anerkannter Schiedsrichter ging«, erinnert er sich. Umso wichtiger war ihm ein erfolgreicher internationaler Abschied bei der EM 2021.

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