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Slalom Extreme soll Zuschauer locken

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Hochbetrieb beim Slalom Extreme im Eiskanal, diese Wettkampfform wird 2024 olympisch. © IMAGO

Nicht auszudenken, was das für eine Peinlichkeit gewesen wäre, hätte Augsburg die diesen Mittwoch beginnende und bis Sonntag dauernde Weltmeisterschaft im Kanuslalom absagen müssen.

Das stand ja zur Debatte, weil der Lech, der die Strecke am Eiskanal speist, aufgrund der Trockenheit sehr, sehr wenig Wasser führt. Dass ausgerechnet Augsburg dieser Mangel trifft: Das Wassermanagement der Stadt ist seit fünf Jahren UNESCO-Welterbe und der Eiskanal Bestandteil des ausgeklügelten Versorgungssystems.

Überhaupt ist Augsburg so etwas wie die Wiege des Kanuslaloms, der Wildwasserabfahrt um Tore herum, 1972 wurde die Sportart olympisch - auf dem eigens dafür angelegten künstlichen Eiskanal. Weil mit der WM auch ein Jubiläum gefeiert wird, hat man alle eingeladen, die vor 50 Jahren bei der Premiere des Kanuslaloms mitgefahren sind. Riesenaufwand, und kostet was.

Und schließlich hat Augsburg seinen Status als deutscher Kanuslalom-Standort Nummer eins zu verteidigen. Es gibt einen Konkurrenten, die im Zuge der Leipziger Olympia-Bewerbung (für 2008) geschaffene Strecke in Markleeberg, die für junge Athletinnen und Kanuten interessant ist, weil das Training mit der Anbindung an eine Eliteschule Sport aufwarten kann - was in Augsburg nicht der Fall ist, wie Bundestrainer Klaus Pohlen, langjähriger Leiter des Olympiastützpunkts Bayern im Münchner Olympiastadion, jüngst in einem Hilferuf zum Ausdruck brachte.

Noch ist Augsburg vorne und ein verlässlicher Lieferant von Erfolgen. Siehe Olympia 2021 in Tokio: Kajak-Bronze für Hannes Aigner, Canadier-Bronze für Sideris Tasiadis, beide sind waschechte Augsburger. Aigner (33) saß »schon als Ein- oder Zweijähriger bei meinen Eltern im Boot«, Tasiadis (32) wurde »von meinem Sportlehrer an der Schule gefragt, ob ich Kanuslalom probieren will«. Ricarda Funk (30) wurde in Tokio gar Olympiasiegerin (Kajak) - sie stammt zwar aus Ahrweiler, trainiert aber seit zehn Jahren in Bayerisch-Schwaben und ist »Augsburgs Sportlerin des Jahres«. Trotz der Wassernot kann gepaddelt werden, der Heimvorteil der Augsburger Fraktion ist aber vielleicht dahin, weil der verminderte Zufluss aus dem Lech die Strecke verändert. »Am Anfang steht das Wasser, man muss mehr ins Risiko gehen«, meint Tasiadis. Kollege Aigner nimmt es gelassen hin: »Wir sind eben eine Outdoor-Sportart, der Wasserlauf kann sich ändern. Das hier ist keine 100-Meter-Tartanbahn.«

Wer die 660 Meter lange Betonrinne und ihre Attraktionen mit markanten Namen wie Waschmaschine, Moby Dick, Karussell, Korkenzieher und Torpedowalze noch besser beherrschte als die Augsburger Lokalmatadoren, das war Richard Fox. Der Brite dominierte seinen Sport in den 80er Jahren, als dieser nicht dem Olympia-Programm angehörte (das tat er nach Augsburg 1972 erst wieder 1992 in Barcelona). Fox gewann bei der WM 1985, die in Augsburg stattfand, und paddelte bei den jährlichen Weltcups am Eiskanal alles in Grund und Boden. 2022 in Augsburg könnte seine Tochter Jessica Fox (28) zum WM-Star werden. Sie startet für Australien und hat für alle Wettbewerbe gemeldet. Kajak (Doppelpaddel, sitzend), den bei den Frauen noch relativ neuen Canadier (Stechpaddel, kniend), beide Teamwettbewerbe - und den Slalom Extreme.

Mit dieser Wettkampfform, die 2024 in Paris olympisch sein wird, bricht der Kanuslalom auf zu neuen Ufern. Der »Extreme« orientiert sich an Ski- und Boardercross, vier Leute in einem Lauf fahren gegeneinander. Beim Kanu beginnt es mit dem Sturz von einer zwei Meter hohen Rampe, es geht in Einheitsbooten um Bojen herum, mit dem Strom, gegen den Strom, Kontakt ist erlaubt, auch eine Eskimorolle muss gezeigt werden.

105 Männer aus 39 Ländern und 72 Frauen aus 32 Nationen, insgesamt fast zwei Drittel aller gemeldeten Slalomkanuten, gehen im »Extreme« an den Start - auch die kleinen Verbände steigen hier ein. Nicht auszudenken (bei ihren geringen Budgets), wären sie umsonst nach Augsburg gekommen. Günter Klein

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