Struff verpasst Überraschung

Jan-Lennard Struff bringt Shootingstar Carlos Alcaraz an den Rand einer Niederlage. Zwei andere Deutsche feiern an einem verregneten Tag in Wimbledon Premierensiege.
Jan-Lennard Struff brachte den Shootingstar der Tennisszene erst in Bedrängnis und dann an den Rand der Niederlage. Doch Carlos Alcaraz befreite sich mit all seinem Talent aus jeder brenzligen Situation. Beim 6:4, 5:7, 6:4, 6:7 (3:7), 4:6 war Routinier Struff (32) nur wenige Punkte von der Überraschung entfernt, musste sich zum Wimbledon-Auftakt dem Teenager aus Spanien aber nach 4:10 Stunden geschlagen geben.
Während Struff und Alcaraz auf dem »Heiligen Rasen« im Court 1 ihren Krimi austrugen, prasselte es mitunter heftig auf das geschlossene Dach. Typisch Wimbledon. Maximilian Marterer und Jule Niemeier litten unter dem englischen Sommerwetter, doch die Unterbrechungen und Verschiebungen brachten sie nicht aus der Ruhe. Beiden gelang ihr erster Erfolg im All England Club, für Niemeier (22) war es der erste Grand-Slam-Sieg überhaupt.
Die Dortmunderin, die von 2017 bis 2021 für den TC Bad Vilbel spielte, hatte sich bei den French Open erstmals für das Hauptfeld eines der vier größten Tennisturniere der Welt qualifiziert, in Paris aber in der ersten Runde verloren. Diesmal setzte sie sich gegen die Chinesin Wang Xiyu mit 6:1, 6:4 durch. »Ich fühle mich wohl auf Rasen, das passt zu meinem Spiel«, sagte Niemeier bei Sky: »Hier dabei zu sein, ist ein besonderes Gefühl. Die Stimmung ist sehr royal.«
In der zweiten Runde trifft Niemeier am Mittwoch auf die an Position zwei gesetzte Anett Kontaveit aus Estland.
Marterer (27) war vor einigen Jahren auf dem Weg nach oben, in der Weltrangliste kletterte er bis auf Rang 45, ehe ihn Verletzungen und die Corona-Pandemie zurückwarfen. Mit dem 4:6, 7:5, 6:4, 7:5 gegen den Slowenen Aljaz Bedene sendete er ein Zeichen. »Das fühlt sich unglaublich an«, sagte Marterer.
Währenddessen kämpfte Struff um seine große Chance nach langer Leidenszeit. Im vierten Satz startete er gut in den Tiebreak und hatte den Sieg vor Augen, doch es reichte nicht. Alcaraz, die Tennissensation der vergangenen Monate, strauchelte, noch ist er unerfahren, auf Rasen war es erst sein drittes Match.
Für Struff dagegen war es bereits das neunte Wimbledon, und eines, das hätte unvergesslich werden können. Denn hinter ihm liegt eine lange Leidenszeit. Im März hatte er sich beim ATP-Masters in Miami einen Zeh gebrochen, daraufhin die Sandsaison ausgelassen und war erst auf Rasen zurückgekehrt. Mit mäßigem Erfolg: In Stuttgart, Halle/Westfalen und auf Mallorca gelang ihm nur ein Sieg.
Schon zuvor war Struffs Karriere ins Stocken geraten. Nach vielen erfolgreichen Jahren wird er mittlerweile nur noch auf Platz 155 des Rankings geführt, sein letzter Grand-Slam-Sieg liegt mehr als zwölf Monate zurück. 2021 bei den French Open in Paris hatte er in der dritten Runde einen talentierten Teenager aus dessen Tennistraum gerissen: Carlos Alcaraz. Diesmal hatte der Spanier das bessere Ende für sich.
Angelique Kerber hat indes souverän die zweite Runde erreicht. Die Siegerin von 2018 deklassierte die Französin Kristina Mladenovic beim Turnier-Auftakt am Montagabend zu Beginn und feierte nach nur 62 Minuten ein 6:0, 7:5 gegen die Doppel-Spezialistin.
Titelverteidiger Novak Djokovic ist dagegen mit mehr Mühe als erwartet gestartet. Der sechsmalige Champion aus Serbien gewann unter dem geschlossenen Dach des Centre Courts gegen den Südkoreaner Kwon Soonwoo nach 2:27 Stunden 6:3, 3:6, 6:3, 6:4.
»Er hat richtig stark gespielt. Ohne Vorbereitungsmatches fühlt man sich weniger selbstbewusst, als man es gerne hätte«, sagte Djokovic: »Ich musste einen Weg finden, Kontrolle über die Punkte zu gewinnen. Mein Aufschlag hat geholfen. Hätte er den Breakball im dritten Satz verwandelt, hätte es anders laufen können.«
Indes hat der frühere Wimbledonfinalist und US-Open-Champion Marin Cilic seinen Start beim Turnier im All England Club kurzfristig abgesagt.