»Totalausfall« in Paris

(sid). »Fiasko«, »Totalausfall«, »ein Spiel zum Vergessen«: Am Tag nach dem neuerlichen Tiefpunkt des Weltmeisters las die französische Presse ihrer Millionentruppe gehörig die Leviten. Weltmeister-Coach Didier Deschamps wirkt zunehmend ratlos - und so schrillen in Frankreich fünf Monate vor der WM die Alarmglocken.
»Uns fehlten Kraft, Charakter und Energie. Das muss man akzeptieren, auch wenn es wehtut«, sagte Deschamps nach dem trostlosen 0:1 gegen Kroatien im Stade de France, dem vierten Spiel hintereinander ohne Sieg. Auch er selbst habe nach dem Tod seines Vaters nicht »die Energie und die Kraft« gehabt, die Mannschaft aus ihrer Lethargie zu reißen.
Der drohende Abstieg aus der Nations League ist für die Franzosen um ihren Supersturm mit Karim Benzema und Kylian Mbappe noch das geringste Problem: Fünf Monate vor der Wüsten-WM in Katar sucht die Equipe Tricolore verzweifelt ihre Form. Eine Wiederholung des Titelgewinns von 2018 scheint derzeit in weiter Ferne.
»Vier Spiele, kein Sieg, nur drei Tore: Diese Länderspielphase war ein Fiasko«, schrieb die Zeitung »Le Parisien« und befand angesichts der angekündigten Hitzewelle in Frankreich: »Das Wetter wird besser, das französische Team nicht. Das war kalte Langeweile.« Die »L’Equipe« attestierte gar einen »Totalausfall« (»panne generale«) und schrieb von »ziemlich katastrophalen 14 Tagen« der Mannschaft.
Auch bei den Fans wächst nach der Neuauflage des WM-Endspiels von 2018 allmählich die Skepsis. Bei einer Abstimmung des »Figaro«, ob Frankreich weiterhin Favorit auf den WM-Pokal sei, stimmten bis Dienstagvormittag rund 80 Prozent mit nein. Doch Kapitän Presnel Kimpembe gab sich alle Mühe zu beschwichtigen. »Wir haben noch ein wenig Zeit, uns auf die WM vorzubereiten«, sagte er. Der momentane Zustand der Mannschaft sei nicht besorgniserregend.
Auch Deschamps versuchte, die aufgebrachte Volksseele der Grande Nation zu beruhigen. »Ich mache mir natürlich keine Sorgen«, sagte er demonstrativ. Vor allem an der nötigen Frische fehle es seinem Team momentan.
Zumindest in der Nations League ist die Chance auf die Titelverteidigung schon geplatzt, im zehnten Duell mit Kroatien gab es erstmals eine Niederlage. Erstmals seit 24 Spielen blieb Frankreich zudem ohne eigenes Tor.
Eine gute Nachricht brachte der ansonsten trostlose Abend dann aber doch noch: Frankreichs erster Gegner bei der Weltmeisterschaft wird Australien sein - genau wie 2018. Ob sich der Rest der Geschichte mit Titelgewinn wiederholt, darf inzwischen aber stark bezweifelt werden.