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Visionär und Macher

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Dietrich Mateschitz (hier 2008 mit dem jungen Sebastian Vettel) ist im Alter von 78 Jahren gestorben. © DPA

Dietrich Mateschitz ist tot. Im Alter von 78 Jahren hat er seinen Kampf gegen eine »lange, schwere Krankheit« verloren. Er hat die Sportwelt verändert, ein Imperium geschaffen, sich zum reichsten Österreicher gemacht.

Didi Mateschitz, der Mann, der Red Bull erfand, hat nicht viel Öffentlichkeit zugelassen. Einer, der ein kurzes Kennenlernglück hatte, ist Oliver Wurm. Aber da war auch der Zufall im Spiel.

Wurm, heute in Hamburg ein kreativer Verleger, der zuletzt Preise dafür bekam, dass er das Grundgesetz als Heft an die deutschen Kioske brachte, begegnete der österreichische Unternehmer vor 21 Jahren in Sölden. Wurm war Redakteur bei der Illustrierten »Max« und besuchte auf dem Gletscher in den Ötztaler Alpen die Premiere von »Hannibal«, einem auf 2600 Meter Höhe in den ewigen Schnee gesetzten Historien-Spektakel. Mit seinem Sitznachbarn unterhielt er sich ganz nett, doch wer das gewesen war, wurde ihm erst klar, als dieser sich mit Ende der Vorstellung verabschiedete, enteilte und in einen Helikopter stieg. Abflug. Es war Dietrich »Didi« Mateschitz, ein Mythos in der Welt der neuen Wirtschaft.

Mateschitz, geboren 1944 in der Steiermark, war Handelsvertreter gewesen, der auf einer Thailand-Reise ein Getränk kostete, das anregende Wirkung hatte. Wäre das nicht etwas für den Export nach Europa? Ein Hit in einer Gesellschaft, die sich über Leistung definiert, die Leistung optimiert? Wer wach ist, leistet mehr. Er gründete mit der Familie Yoovidhya, die die Rechte an der Rezeptur hatte, eine gemeinsame Firma, 49 Prozent gehören ihm. Er nannte das gemeinsame Produkt Red Bull.

Wirkt viel besser als Kaffee, raunten sich in den 80er-Jahren die Studenten zu, die auf Examen lernten und dafür durchwachte Nächte brauchten. Auch unter Sportlern war das Gebräu mit dem koffeinähnlichen Stoff Taurin ein Geheimtipp. »In Deutschland war Red Bull zunächst nicht erhältlich, wir sind dann über die Grenze gefahren und haben es uns an der ersten österreichischen Tankstelle palettenweise besorgt«, erzählt Christian Winkler, der Eishockey-Torwart beim SC Riessersee war. Mittlerweile ist er 51 und bei Mateschitz angestellt. Als »Managing Director Sports Red Bull Eishockey« ist er für beide Clubs zuständig, die Mateschitz sich gekauft hat: München und Salzburg.

In den traditionellen Sport hatten Mateschitz und Red Bull ihre Aktivitäten 2001 noch nicht ausgeweitet, als Oliver Wurm dem Unternehmer über den verschneiten Weg lief. Gefördert wurde, was eine junge und partyaffine Zielgruppe anzog: Snowboard, Klippenspringen, Wingsuit-Fliegen. Oder es wurde einfach mal eine Sportart erfunden: Crashed Ice zum Beispiel: In Eishockey-Montur stürzten sich die Akteure einen vereisten Parcours, ähnlich einer Bobbahn, hinunter. Red Bull schuf sich seinen Gaudi-, Sport- und Actionkosmos, mit dem es um die Welt tourte. Das Getränk bekam ein Image. Mateschitz ebenfalls: ein Macher, innovativ und für einen Österreicher auf exotische Weise zupackend.

Wurm setze nach der Gletscher-Episode nach und erbat ein Interview für »Max«. Er bekam einige Zeit später die Zusage und reiste mit dem Starfotografen Peter Rigaud nach Salzburg. Am dortigen Flughafen hatte Mateschitz sich einen eigenen Hangar hingestellt. Für das Shooting hatte er drei komplette Sets aufbauen lassen und gab vor: Pro Szene sieben Minuten Zeit, fürs Interview 25 Minuten. Wurm erinnert sich, dass es »kein großes Hallo« gab, man gleich zur Sache kam. »Er war unfassbar entspannt und total kooperativ. Ihm gefiel diese Effektivität.« Mateschitz bekam acht Seiten in der Illustrierten »Max«, es blieb sein einziges Lifestyle-Interview. Leute aus Mateschitz‹ Team ließen Wurm später von der Zufriedenheit des Meisters wissen, der den Termin auf die vereinbarte Minute enden ließ. »Dann ging er raus, das Flugzeug hatte schon die Motoren an, weg war er«, blickt Wurm zurück.

Fliegender Businessmann

Es war eine geschäftliche Begegnung mit klarer Nutzenabwägung. Doch ist Mateschitz, dem fliegenden Businessmann, überhaupt einer nahegekommen? Es gibt Prominente, die ihn einen Freund nannten. Der österreichische Fußballer Martin Hinteregger, berühmt geworden bei Eintracht Frankfurt, ging mit Mateschitz auf die Jagd. Franz Beckenbauer und Rainer Calmund, zwei weitere Figuren des Fußballs, begleiteten Mateschitz auf seinem Investment in den weltweit größten Sport. Und Uli Hoeneß handelte auf der Gesprächsebene mit ihm den Bau einer Arena im Münchner Olympiapark aus, die Mateschitz’ Münchner Eishockey-Mannschaft und die Bayern-Basketballer 2024 gemeinsam beziehen werden.

Die Fußball-Rivalität zwischen den Bayern und dem zum Herausforderer gewordenen Mateschitz-Verein Rasenballsport Leipzig überspielten sie mit einer auf drei Jahren angelegten Meisterwette. Einsatz: ein Bier. Sie wollen beide demonstrieren, dass sie Kumpel sind. Und im Grunde ihres Herzens einfache Leute.

Der Blick auf Dietrich Mateschitz veränderte sich mit den Jahren. Mateschitz rüttelte an den Fundamenten des etablierten Sports. Er kaufte sich in die Formel 1 ein - und sein Team Red Bull Racing wurde sogleich sagenhaft erfolgreich. Seine Berater rieten ihm, im Fußball aktiv zu werden, da könne er die den Snowboard-Softboots entwachsenen Red-Bull-Trinker an der Dose halten. In Österreich machte er den Traditionsverein Austria Salzburg zu Red Bull Salzburg. In Deutschland suchte er nach einem Standort, der ihm Aufmerksamkeit im Marketing garantieren würde. Er umwarb (1860) München, (St. Pauli) Hamburg und (Fortuna) Düsseldorf - doch der Deutsche Fußball-Bund wehrte einen Direkteinstieg ins Profilager ab. Mateschitz ging nach Leipzig. Einstieg in der fünften Liga, nach und nach Eroberung des Sächsischen, dann des Nordostdeutschen Fußball-Verbandes. DFB und Deutsche Fußball-Liga konnten den Aufsteiger nicht mehr aufhalten. RB umgeht alle Regeln, der »Verein« hat 21 stimmberechtigte Mitglieder, die bei Red Bull arbeiten. Auch im siebten Jahr in der Bundesliga erfährt Leipzig offene Ablehnung. Auch mit Eishockey konnte Mateschitz nicht punkten. 2013 kaufte er den klammen EHC München, machte ihn reich. Die Fans der gegnerischen Vereine schmähen München als »Salzburger Hure«.

Es setzte ein Ringen um das Bild von Mateschitz ein. Eine ARD-Dokumentation setzte ihm zu. Berichtet wurde über die Todesfälle von damals sechs Actionsportlern aus dem Bereich Basejumping und Wingsuit-Fliegen - sie hatten bei Red Bull unter Vertrag gestanden. Waren sie im Dienst der Marke zu einem unverantwortbaren Risiko gezwungen worden? Kritik erntete der 2012 von Mateschitz finanzierte Stratosphären-Sprung von Felix Baumgartner aus fast 39 Kilometern Höhe - da wurde auch firmenintern befürchtet, aus dem Red Bull könnte ein Dead Bull werden.

Offiziell ist Mateschitz natürlich immer nur Wohltäter gewesen. Auf ein Vermögen von über 15 Milliarden US-Dollar wurde Dietrich Mateschitz taxiert. Er hat einen Sohn, Mark, 39, früher trug er den Nachnamen Gerhardter. Mark Mateschitz ist im Red-Bull-Spiel nun der neue große Unbekannte.

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Auf der Fußball-Tribüne: Ex-Bundestrainer Joachim Löw (l.), Karl-Heinz Rummenigge (2. v. l.), Uli Hoeneß (3. v. l.) und daneben Dietrich Mateschitz. © IMAGO

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