Vorfreude auf »Mega-Erlebnis«
Eine Woche vor dem Saisonauftakt fehlte Niko Arnautis im Training. Der 42-Jährige war Vater geworden. »Eine Tochter natürlich«, wie er sagt. Als Coach der Bundesliga-Fußballerinnen von Eintracht Frankfurt müsse er schließlich für Nachwuchs sorgen. Die zusätzliche Herausforderung zu Hause soll nichts daran ändern, dass Arnautis beim Duell der Adlerträgerinnen gegen Bayern München heute (19.
15 Uhr/Eurosport) an der Seitenlinie genauso hellwach sein will wie seine Spielerinnen.
Mit einem 3:2-Erfolg war es der Eintracht im Oktober 2021 schon einmal gelungen, die Favoritinnen aus München zu schlagen. Warum, fragt Kapitänin Tanja Pawollek (23), sollte das nicht noch mal gelingen, auch wenn, wie ihr Trainer betont, die Bayern selbst in Europa »zur obersten Kategorie« zählen und sich u. a. mit Europameisterin Georgia Stanway verstärkt haben.
Das Ambiente sorgt für zusätzliche Motivation: Eröffnungsspiel in der Arena im Stadtwald unter Flutlicht. »Wir fiebern sehr auf dieses Spiel hin«, sagt Pawollek, die von einem »Mega-Erlebnis« spricht. Die Woche über konnten die Hessinnen bereits auf dem Rasen im großen Rund üben und sich akklimatisieren. Was sich nicht imitieren lässt, das ist die Lautstärke, die man bei der erwarteten Rekordkulisse vermuten könnte. Doch nachdem ein Großteil gemeinsam von einer Talenttruppe zum ersten Verfolger des dominierenden Duos aus München und vom Doublesieger VfL Wolfsburg reifte, soll das laut Pawollek keine Rolle spielen.
Die Begegnung soll für den deutschen Frauenfußball ein Signal setzen. Nachdem in der Vorsaison nur 811 Besucher im Schnitt zu den Liga-Spielen kamen, erhoffen sich alle Beteiligten nun einen deutlichen Aufschwung. Die Begeisterung, die das Nationalteam bei der EM in England auslöste, wo es das Ensemble bis ins Finale schaffte, soll ins Alltagsgeschäft abstrahlen.
Bei der Eintracht schweigt man sich über die Zahlen des Ticketverkaufs aus, spricht nur von einer »geschichts-trächtigen, tollen Kulisse«. Die aktuelle Bundesliga-Bestmarke liegt bei 12 464 Besuchern, die am Ende der Saison 2013/14 sahen, wie der VfL Wolfsburg dank eines Kopfballtores von Alexandra Popp die damals noch unter dem Dach des 1. FFC firmierenden Frankfurterinnen mit 2:1 besiegte und ihnen damit den Titel wegschnappte. Alles andere als mindestens die Verdopplung dieser Zahl wäre eine Enttäuschung.
Der Charme des ersten Versuchs liegt darin, dass viele Vizeeuropameisterinnen aufeinandertreffen. Sara Doorsoun, Sophia Kleinherne, Nicole Anyomi und Laura Freigang bei der Eintracht stehen Giulia Gwinn, Linda Dallmann, Klara Bühl, Lina Magull, Sydney Lohmann und Lea Schüller gegenüber. »Kaltschnäuzig und konzentriert« wolle man den Bayern begegnen, sagt Arnautis. Man wolle die eigene Spielidee und Tugenden auf den Rasen bringen, sagt der Trainer. Bei all dem Rummel dürfe man nämlich nicht vergessen, »dass Zuschauer keine Tore schießen«. KATJA STURM