Zwei Hochbegabte

(jcm). Es sind einige Flügeltüren aufzustoßen, um in die Interviewzone des Wembleystadions vorzudringen. Nur erlauben es die baulichen Gegebenheiten eben auch, kommentarlos zum Mannschaftsbus im Tiefparterre zu gelangen. Von dieser Möglichkeit machten Jamal Musiala und Kai Havertz Gebrauch, als die beiden auffälligsten deutschen Fußballer davonstapften.
Mit ihrer früheren und aktuellen Verbindung zum FC Chelsea hätten sich der an der Entstehung zweier Tore beteiligte Musiala und der als Doppeltorschütze auffällig gewordene Havertz als Gesprächspartner angeboten, aber ihnen schienen die Taten auf dem Rasen zu genügen. Zumal der Bundestrainer kurz zuvor die passenden Worte gefunden hatte. »Kai und Jamal haben es richtig gut gemacht«, konstatierte Hansi Flick, der nicht die erste Eloge auf das »außergewöhnliche Talent« des erst 19-jährigen Musiala kredenzte: »Er hilft uns defensiv wie offensiv.«
Der Freigeist vom FC Bayern übertölpelte gleich zweimal den hüftsteifen Harry Maguire, von dem eigentlich niemand weiß, warum er bei Manchester United so unfassbar viel Geld verdient und bei den »Three Lions« nach so unfassbar vielen Fehlern noch aufgeboten wird. Vor dem Elfmetertor von Ilkay Gündogan schob ihm der Jungspund den Ball durch die Beine, woraufhin ihn Maguire umtrat. Vor dem 2:0 von Havertz luchste er dem englischen Abwehrchef die Kugel ab. Gerne hätte Gareth Southgate diesen Hochbegabten in seinen Reihen gehabt: »Eine Schande« nannte es der englische Teammanager, weil angeblich die deutschen Nationalspieler den auf der Insel ausgebildeten Bewegungskünstler überredet hätten. Ganz so simpel war die Causa Musiala allerdings nicht.
Im Falle des in Aachen aufgewachsenen Havertz musste niemand überlegen, welches Nationaltrikot am besten passt. Auch dieser Techniker vereint besondere Fähigkeiten, mit denen der deutsche Fußball große Hoffnungen verknüpft. Immer wieder wird die Heim-EM 2024 genannt, aber müsste der 23-Jährige nicht schon bei der WM Stammspieler sein? Schließlich hat der Edeltechniker in der Premier League an Robustheit zugelegt. Wenn er diesen Behauptungswillen durchgängig ins DFB-Team überführt, kommt der Bundestrainer gar nicht an ihm vorbei. Diesmal war sein Doppelpack das beste Argument für mehr Vertrauen. »Der Kai«, hielt Flick denn auch fest, habe »einfach toll, mutig, klasse« gespielt. Wobei das erst galt, als er den Ex-Leverkusener von der Angriffsmitte durch die Hereinnahme von Timo Werner auf eine Halbposition dahinter verschob. Musiala und Havertz bespielten kreativ das Hoheitsgebiet, das für gewöhnlich Thomas Müller beansprucht. Doch der in den letzten Länderspielen blasse 33-Jährige saß diesmal bis zu 79. Minute auf der Bank.